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Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Titel: Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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meldete sich sofort. Mit stockenden Worten versuchte er, ihr von seinem Misserfolg zu berichten. Zu seiner Überraschung unterbrach sie ihn schon im zweiten Satz.
    »Junger Mann, glauben Sie im Ernst, dass ich dabei zusehen könnte, wenn ich nicht weiß, was mit meiner Tochter ist? Nachdem sie sich nicht gemeldet hatte, habe ich gleich am nächsten Morgen nach ihrer Abfahrt die Polizei alarmiert. Ich mache mir solche Sorgen!«
    Während sie sprach, veränderte sich ihre anfangs forsche Stimme in das stockende Schluchzen einer besorgten Mutter. Kaltenbach konnte kaum mehr tun, als ihr ein paar wohlgemeinte Worte als Aufmunterung zu sagen. Er war nicht sicher, ob sie überhaupt zuhörte und verzichtete darauf, sie mit mehr Einzelheiten zu verwirren. Es war besser, wenn sie auf Nachrichten von der Polizei wartete.
    Mit ein paar raschen Abschiedsfloskeln beendete er das Gespräch. Wenn Frau Bührer die Polizei benachrichtigt hatte, blieb für ihn nichts mehr zu tun. Er konnte einzig warten und hoffen, dass seine Befürchtungen grundlos waren. Am besten war, wenn er nach Hause fuhr. Gleich.
    Auf dem nächsten Ortsschild las er den Namen ›Menzenschwand‹. Seine Orientierung kehrte zurück. Wenige Kilometer weiter sah er die große Wasserfläche des Schluchsees durch die Fichtenstämme glitzern. Hier war im Sommer schon mehrfach das Ziel seiner Motorroller-Touren gewesen. Von Weitem erkannte er die kleinen weißen Punkte der Segelboote, deren Besitzer das frühlingshafte Wetter für die ersten Ausfahrten nutzten.
    Er entschied sich, über Titisee und das Glottertal nach Emmendingen zu fahren. Die Konzentration auf den Verkehr ließ seine Lebensgeister zurückkehren, und er spürte, dass er seit dem schnellen Frühstück in Neuenweg nicht mehr gegessen hatte. In Bärental bei der Abzweigung zum Feldberg hielt er neben einer Pizzeria, die er von früheren Ausflügen her kannte. Das Lokal war gut besucht. An einem Fenstertisch stand eben ein ledergekleidetes älteres Ehepaar auf und überließ ihm ihren Platz. Kaltenbach bestellte eine große Pizza nach Art des Hauses und machte sich auf den Weg zur Toilette. Vor dem Spiegel versuchte er, sein Äußeres mithilfe von Wasser, Handseife und einem alten Kamm, den er in den Tiefen seines Handschuhfachs gefunden hatte, einigermaßen in Form zu bringen.
    Die ›Art des Hauses‹ schien ein Sammelsurium von all dem zu sein, was die Küche hergab. Trotzdem schmeckte die eigenwillige Zusammenstellung aus Pilzen, Anchovis, Okraschoten und süßsauren Mangostückchen erstaunlich gut.
    Wie konnte es sein, dass Sutter sich derart getäuscht hatte? Er hatte sehr deutlich von heute gesprochen, vom 21. März, an dem Tag und Nacht gleich lang sind. Kaltenbach staunte noch im Nachhinein, dass es derart viele Esoterik-Jünger gab, die diesen Termin ebenfalls kannten und auf ihre spezielle Weise zelebrierten.
    Kaltenbach hatte sich inzwischen in die Tiefen seiner Überraschungspizza vorgearbeitet. Bei seiner Tour durch die Fantasie des Küchenchefs stieß er eben auf eine kleine Kolonie fein geschnittener Chili-Röllchen, die ihm das Wasser in die Augen trieben.
    Trotzdem musste da mehr sein. Sutter hatte sogar von Magie gesprochen. Er hatte Blaschke vorgeworfen, den ›Weißen Pfad‹ verlassen und verbotenes Gebiet betreten zu haben. Schwarze Magie. Vor Jahren hatte Kaltenbach Einiges darüber gelesen, als er sich eine Zeit lang mit Theosophen, Rosenkreuzern und Freimaurern beschäftigt hatte. Einer der Abtrünnigen hatte sich selbst das ›Große Biest‹ genannt und seine Anhänger dadurch fasziniert, dass er konsequent alles auf den Kopf gestellt hatte, alles, was den etablierten Gemeinschaften wertvoll und heilig war. Ein auf die Spitze gestelltes Pentagramm war sein Zeichen.
    Kaltenbach kaute an den letzten Stücken seiner Pizza. Der Tintenfischring schmeckte nach Knoblauch und Lavendel.
    Die Umkehrung aller Dinge. Blutopfer statt Leben. Das Kruzifix als Symbol der Liebe zerbrochen und geschändet. Statt Segen am Grab des Toten Fluch bis über den Tod hinaus.
    Immer noch fehlte das letzte Puzzleteil zu dem Bild, das sich vor Kaltenbachs innerem Auge in beklemmender Düsternis noch einmal zusammensetzte. Ein Gedanke kam ihm auf, über den er erschrak. Der erste Mord war bei Vollmond am Kandel geschehen, ein den Kelten ebenso heiliger Berg wie der Belchen. Der Belchen als Sitz des Sonnengottes Bel, der Kandel als Berg der Hexen und des Teufels. Hatte er heute Morgen am falschen Ort
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