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Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Titel: Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Buffet der mit alten Holzmöbeln stilvoll eingerichteten Küche. Doch Kaltenbach war mächtig stolz auf seine neueste Errungenschaft. Er hatte richtiggehend gespart darauf, was ihm wegen seiner ständigen Geldsorgen nicht einfach gefallen war. Heutzutage kostete eine gute Kaffeemaschine mehr als früher ein gebrauchter Kleinwagen. Doch bei solchen Entscheidungen gab es kein Überlegen. Ein guter Kaffee am Morgen gehörte neben dem Rotwein am Abend zu seinen Leidenschaften.
    Während die Maschine dagegen leidenschaftslos vor sich hin ratterte, genoss er den einzigartigen Ausblick, der sich ihm von seinem Platz aus bot. Direkt vor dem kleinen Balkon, auf dem ein zerzauster Oleander tapfer der morgendlichen Kühle trotzte, lagen die Felder und Streuobstwiesen vom Emmendinger Stadtteil Maleck, wo Kaltenbach seit Jahren wohnte. In südöstlicher Richtung über dem Tal mit den Zaismatthöfen breitete sich der lang gestreckte Hügel des Hachbergs aus, auf dessen Kamm die stattliche Ruine der Hochburg thronte. Auf deren Söller flatterte deutlich sichtbar die badische Fahne im Morgenwind. Dahinter begann die Kette der Schwarzwälder Randberge mit dem Kandel. Obwohl dessen Westseite, die nach Maleck herüberschaute, noch in diffuses morgendliches Schattengrau gehüllt war, sah Kaltenbach, dass oben auf über 1.000 Meter noch Schneereste lagen. ›Der Glänzende‹, das war der Name, den ihm bereits die keltischen Siedler gegeben hatten.
    Kaltenbach saß gerne hier und genoss diesen Ausblick, der Vergangenheit und Gegenwart zu einer großartigen Kulisse verschmolz. Bald würde es wieder so weit sein, dass er den Balkon benutzen konnte. Kaltenbach seufzte, als er vorsichtig den ersten Schluck des brühend heißen Kaffees versuchte. Er mochte den Winter nicht sonderlich. Seit er vor vielen Jahren den Wintersport in allen Formen aufgegeben hatte, gab es nichts mehr, was ihn an dieser Jahreszeit reizen konnte, weder die dicken Pullover und Jacken noch die matschbedeckten Straßen. Vor allem die endlos grau verhangenen Tage drückten ihm aufs Gemüt. Seit er wieder alleine lebte, hatte er das Lesen wiederentdeckt. Wenn es gerade keinen Krimi im Fernsehen gab, ging er öfter früh zu Bett und verlor sich in den magischen Welten lateinamerikanischer Autoren. Dort oben im Schwarzwald, wo an manchen Orten die Zeit verwunschen schien und uralte Geschichten unter Bäumen, Moos und Fels verborgen lagen, drehte sich die Zeit unendlich langsam, gerade wie in den schwülen, dumpfen Urwäldern Kolumbiens, in denen ein Autor wie García Márquez seine Erzählungen angesiedelt hatte. Die Einsamkeit der Jahrhunderte, in denen sich die Zeit dehnte, verformte und wiederholte.
    Er stellte seine Tasse erneut unter die beiden Wasserdüsen und drückte den Startknopf. Im Schrank fand er noch einen Rest Baguette vom Vortag, aus dem Kühlschrank holte er Margarine und Frischkäse, strich beides darauf und biss halbherzig hinein. Mit dem Brot in der Hand lief er kauend zurück in das Zimmer. Er wischte die Krümel an seinen Fingern an der Schlafanzughose ab, hob den Plexiglasdeckel seines alten Dual-Plattenspielers, nahm vorsichtig die schwarze Vinylscheibe herunter und steckte sie zurück in die Hülle, auf der ein überdimensionales grünliches Ohr unter Wasser abgebildet war. Nach kurzem Überlegen griff er in die Reihen seiner stattlichen Plattensammlung, zog Cat Stevens hervor und senkte die Nadel in die Lücke vor ›Morning has broken‹, dem Lied, mit dem er schon Tausende Male den Morgen begonnen hatte. Während die ersten Gitarrenakkorde ertönten, öffnete er das Fenster. Dann lief er zurück in die Küche und setzte sich wieder an den Tisch.
    Inzwischen war es kurz vor halb acht. Nach der zweiten Tasse war Kaltenbachs Müdigkeit einigermaßen vertrieben. Er zog sich den Morgenmantel über, stieg barfuß die knarrende Holztreppe hinunter und öffnete die Haustür. Was er sah, sah gut aus. Der Himmel war fast wolkenfrei und ein frischer, würziger Duft lag in der Luft. Die Schneeglöckchen im Vorgarten schienen es genauso zu sehen und reckten ihre Blüten mutig dem Morgen entgegen.
    »Sali!« rief es vom Garten des Nachbarhauses herüber. Herr Gutjahr stand in voller Montur bereit für seinen täglichen Morgenspaziergang. Der Frührentner, der seit 40 Jahren mit seiner Frau in dem einfachen Bungalow gegenüber lebte, war zuckerkrank und hatte von seinem Arzt Bewegung an der frischen Luft verordnet bekommen, einen Ratschlag, den er gewissenhaft
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