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Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Titel: Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Sein Kollege baute sich derweil unmissverständlich vor der drängenden Meute auf. Sofort erhob sich ein forderndes Durcheinander verschiedener Stimmen.
    »Nur ein Foto von der Absturzstelle, das ist doch nicht zu viel verlangt!«
    »Pure Schikane, was willst du denn von den Bullen anderes erwarten!«
    »Es soll hier Blutflecken geben! Wo ist das Kruzifix?«
    »Guter Mann, wir sind vom Fernsehen. Sie werden doch nicht unseren Zuschauern das Recht auf Informationen verweigern?«
    »Ich war schon hier oben, da warst du noch nicht mal in der Planung!«
    »Bürokraten! Dickschädel!«
    Die beiden Polizisten ließen sämtliche Wünsche und Wertschätzungen an ihrer stoischen Dickfelligkeit abprallen. Es blieb ihnen auch gar nichts weiter übrig. Der Unfallort musste gesichert werden, so lauteten ihre Anweisungen. Offenbar waren die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen.
    »Kommt morgen wieder, ab morgen früh ist die Unfallstelle freigegeben!« Mit diesem Schlussappell gab der Große ein eindeutiges Zeichen, dass er nicht weiter zu diskutieren bereit war. Die beiden nickten sich zu. Bis es dunkel wäre, mussten sie aushalten, spätestens dann würde die Meute frierend nach Hause gehen.
    Kaltenbach hatte nicht damit gerechnet, an diesem Ort noch weitere Menschen anzutreffen. Diese jahrmarktähnlichen Szenen standen in völligem Gegensatz zu der Stimmung, mit der er heraufgekommen war. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, umzukehren, nach Hause ins Warme zu flüchten und das Ganze zu vergessen. Unschlüssig trat er von einem Fuß auf den anderen und schlug die Hände mit den Handschuhen aneinander, denn die Kälte wurde allmählich unangenehm. Dann hatte er eine Idee.
    Zur Talseite gab es neben dem Felsen einen Pfad, auf dem im Sommer die Wanderer aus dem Elztal heraufkamen. Normalerweise war er um diese Zeit unpassierbar. Doch Kaltenbach sah, dass der Weg immerhin so weit ausgetreten war, dass er ihn benutzen konnte.
    Bereits nach wenigen Schritten verklang das Stimmengewirr. Die meisten Menschen wollten nur sehen, was sie wussten, dachte er. Und jeder machte am Liebsten, was alle machten. Herdentrieb. Was war es, was die beiden jungen Männer in jener Nacht hier oben wollten? Ob sie sich gegenseitig angestachelt hatten, als sie am Abend mit ihren Kumpels beim Fasnetstreiben waren? Oder ging es um eine Wette? Ein Mädchen vielleicht? Alkohol? Für einen der beiden war der Preis des Andersseins der Tod.
    Kaltenbach musste stehen bleiben und sich an einem Baum festhalten. Obwohl er viele Jahre hier wohnte, war er erst vor zwei Jahren zum ersten Mal hier oben an dem imposanten Felsabbruch gewesen. Mit Unbehagen erinnerte er sich an die Angst, die ihn überwältigt hatte, als er oben zwischen den beiden Felsen gestanden und hinunter ins Elztal geschaut hatte. Die Angst vor der Höhe war an ihn herangeschlichen, seit er die 30 überschritten hatte. Eine Angst, die ihm die Kehle zuschnürte und kalten Schweiß über den Rücken trieb.
    Meter um Meter stolperte er vorwärts. Die Baumstämme um ihn herum bildeten einen unüberschaubaren Stangenwald, endlos in seiner Ausdehnung und ohne Orientierung für das Auge. Die letzten spärlichen Sonnenstrahlen kämpften sich eben durch die tief hängenden Wedel der mächtigen Fichten am Westhang des Berges. Mühsam krempelte er den Jackenärmel hoch, um auf die Uhr sehen zu können.
    Es war kurz vor fünf. Ein paar Schritte weiter konnte er endlich den unteren Teil des Abbruchs sehen, dessen Fuß mit wild durcheinander gewürfelten Fels- und Steinbrocken übersät war. Erst vor wenigen Jahren war ein beträchtlicher Teil des Überhangs, der dem Felsen sein typisches Aussehen verliehen hatte, in einer Nacht abgebrochen und heruntergestürzt. Allein der Gedanke ließ Kaltenbach erneut schwindeln. Doch dieses Mal ging es schnell vorüber, zumal er inmitten der schneebedeckten Geröllhaufen jemanden umher klettern sah. Den Bewegungen nach zu schließen schien es eine Frau zu sein. Sie war dick eingemummt in eine gefütterte helle Jacke, dazu trug sie eine Art Skihose und Pelzstiefel. Auf dem Kopf hatte sie eine hellbraune Inka-Mütze, wie Kaltenbach sie von früher aus seinen Studententagen kannte.
    Die Frau schien etwas zu suchen. Sie kletterte zwischen den verschneiten Felsbrocken herum, wobei sie mehr als einmal abglitt und sichtlich Mühe hatte, festen Tritt zu finden. Dazwischen blickte sie immer wieder nach oben zum Rand der Felskanzel, den Kaltenbach von seinem Platz aus nicht
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