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Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Titel: Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Prolog – Zwei Jahre zuvor
     
    Das Tier in ihm lag ruhig, aber es lauerte. Er hatte es abgerichtet in all den Jahren. Abgerichtet darauf, dass es nur noch ihm gehorchen würde, ihm und sonst niemandem auf der Welt.
    Keinem Sterblichen.
    Der Mann mit den kurz geschnittenen Haaren und dem grauen Gesicht sah auf die Uhr. Das letzte Frühstück hatte er abgelehnt. Die letzte Wohltat der staatlich verordneten Gutmenschen um ihn herum, die sich anschickten, ihm mit aufmunternden ›Alles Gute‹-Worthülsen den Abschied zu erleichtern. Vielleicht meinten sie es wirklich so.
    Er hatte sie von Beginn an verachtet, eine Verachtung, die sich von jenem Hass distanzierte, den andere, mindere Geister in einer solchen Situation entwickelt hätten. Nur ein gleichrangiger Gegner ist es wert, den Hass des Großen zu empfangen. Diese hier waren für ihn nur Würmer, weiße Maden, die in den Höhlen des hundert Jahre alten Baues herumkrochen, in den sie ihn gebracht hatten.
    Er war nie aggressiv geworden, diesen Gefallen hatte er ihnen nicht getan, den Gelehrten, den Wissenden, den Herren und Deutungsaposteln des menschlichen Geistes. Sie wussten nichts über ihn. Niemals würde ein Geringerer einen Hochstehenden erkennen. Er hatte sich immer im Griff gehabt, die ganze Zeit über. Er hatte die Medikamente entgegengenommen und dann heimlich im Zimmerwaschbecken hinuntergespült, er hatte sich an den Gesprächen willig beteiligt, in denen sie versuchten, seine Seele zu erreichen und nach ihren Vorstellungen umzuformen. Es war genauso vergebens gewesen wie die Beschäftigungen am Nachmittag, die er in scheinbar kindlicher Einfalt vollzog. Er wurde zum Musterschüler, weil er selbst es so wollte.
    Nie wieder sollte ein anderer über ihm stehen, nie wieder würde er sich das Gesetz des Handelns aus der Hand nehmen lassen.
    Der Mann zwang sich zu einem letzten Händedruck, ehe er den Umschlag mit den Papieren entgegennahm und achtlos in die Tasche seines hellgrauen Mantels steckte. Als er das Büro verließ und die Schranke passierte, blickte er nicht ein einziges Mal zurück.
    Er hatte keine weitere Zeit zu verlieren.

Aschermittwoch, 21. Februar
     
    »Overhead the albatross hangs motionless upon the air … «
    Das Licht der frühen Morgensonne kroch durch die Fensterscheiben, fing sich in dem kleinen, orange gestreiften Teppich vor dem Bett und vermischte sich mit den getragenen Klängen von Pink Floyds Musik und dem sanften Gluckern eines 250-Liter-Aquariums.
    Obwohl er bereits wach war, hielt Lothar Kaltenbach die Augen noch für eine Weile geschlossen. Er spürte, wie die Februarsonne ihren unverwechselbaren Vorfrühlingsoptimismus im Schlafzimmer ausbreitete. Die Helligkeit drang durch seine Lider und zwang ihn sanft, aber unerbittlich, sich von seinem Traum zu verabschieden und sich mit der Realität des Hier und Jetzt vertraut zu machen. Als er schließlich die Augen öffnete, hatte er die Begegnung mit den Wesen der Nacht bereits vergessen und genoss lediglich das Gefühl, dass sie angenehm gewesen war.
    Seine Träume hatten sich spürbar verändert in diesem Jahr. Sie waren ruhiger und zusammenhängender geworden, ein Zeichen, dass nach seinem Verstand nun auch seine Seele den Abschied von Monika bewältigt hatte. Immer seltener kam dieses Gefühl der Einsamkeit, das ihn am Abend durch leere Straßen laufen ließ, vorbei an Häusern, die er nicht kannte und deren Klingelschilder unleserlich waren.
    Kaltenbach wälzte sich zur Seite, um seine Augen besser an die Helligkeit zu gewöhnen. Das säuerlich riechende Glas neben dem Bett erinnerte ihn an gestern Abend. Der Spätburgunder war zwar kein herausragender Jahrgang, doch immerhin ein Produkt der hiesigen Winzer, die sich mit Stolz als Deutschlands beste Rotweinbauern bezeichneten. Ein Grund, weswegen er seit geraumer Zeit und etlichen Versuchen zu Kaltenbachs Hauswein avanciert war, von dem er immer eine Flasche in der Küche stehen hatte.
    Er blinzelte. Die Helligkeit am frühen Morgen war noch ungewohnt nach den langen trüben Tagen. Kaltenbach setzte sich auf die Bettkante und streifte seine Armbanduhr über. Es war kurz vor sieben. Er gähnte und streckte sich ausgiebig. In der Küche nahm er eine Henkeltasse aus dem Schrank über dem Herd, blies kurz hinein und stellte sie unter die Auslaufstutzen seiner nagelneuen ›DeLonghi‹. Er entschied sich für schwarzen Kaffee, drückte den Knopf und setzte sich an den Tisch. Die neue Maschine wirkte etwas deplatziert auf dem
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