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Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Titel: Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Neuigkeiten loswerden musste. Wenn Erna Kölblin etwas wusste, erfuhr es innerhalb eines halben Tages garantiert die halbe Stadt. Zumindest das Westend.
    Kaltenbach blieb einigermaßen verwirrt zurück. Natürlich verstand er unter Nachbarschaft, dass man sich gegenseitig zuhörte, auch dass man immer wieder einmal über andere lästerte, das reinigte die Seele, war gut gegen Magengeschwüre und stärkte das Zusammengehörigkeitsgefühl. Das war eine der ersten Lektionen gewesen, die Kaltenbach gelernt hatte, als er sich damals entschlossen hatte, von Freiburg hierher zu ziehen und diesen Laden aufzumachen. Mit den Leuten reden und den Leuten zuhören. Was sich anderswo für jeden guten Wirt gehörte, war im Breisgau Gemütlichkeitskitt. Unter anderem.
    Doch dieses Mal war etwas zurückgeblieben. Etwas von dem, was er von Frau Kölblin gehört hatte, ließ Kaltenbach aufhorchen. Ein unbestimmtes Gefühl setzte sich in ihm fest, das er nicht einordnen konnte.
    Wenn er alles richtig verstanden hatte, war heute früh oben im Schwarzwald auf dem Kandel ein junger Mann im Narrenkostüm, dem Häs, wie man es hier nannte, tot aufgefunden worden. Er war mit seinem Freund in der Nacht hochgestiegen und dabei im Dunkel von der Teufelskanzel heruntergestürzt. Aus Emmendingen sei er gewesen, aber sie wisse noch nicht wer, und sein Freund sei aus Waldkirch. Der sei im Krankenhaus und man wisse noch nichts Genaues. Die ganze Angelegenheit sei sehr geheimnisvoll, denn man habe noch Reste eines Feuers entdeckt und ein zerbrochenes Kruzifix gefunden, und natürlich Blut, aber nicht nur unten an der Absturzstelle, sondern auch noch oben auf dem Felsen. Ihre Freundin Marianne meinte, die seien besoffen gewesen, und sie, Frau Kölblin, glaube eher an die Kandelhexen, aber nicht die von der Fasnet, sondern die echten, die dort oben rumspukten, vor allem an Fasnet, das müsse man doch wissen, wodurch sich nach Frau Kölblins Meinung die Lösung des Falles schon ergebe. Mit diesem vielsagenden Ausbruch von tief sitzendem Volksglauben hatte sie ihn zurückgelassen.
    Kaltenbach sah durch sein Fenster eine junge Frau, deren kleiner Sohn mit wachsender Begeisterung auf einer Schneckenskulptur herumkletterte. Aus deren Maul speiste sich im Sommer Wasser für das Bächle, das vom Marktplatz her durch die Lammstraße plätscherte.
    Düsterer Tod und unschuldiges Leben! Als regelmäßiger TV-Krimi-Seher konnte er nicht genug davon bekommen, diese menschlichen Urgewalten wieder und wieder aufeinanderprallen zu sehen. Auf der einen Seite das Böse, leicht erkennbar und doch unergründlich, zielgerichtet und trotzdem oft unberechenbar, auf der anderen Seite die unerschütterlichen Hüter der Gerechtigkeit, die mit derselben Energie und derselben Überzeugung das Gleichgewicht der Kräfte wiederherstellen mussten. Bei den TV-Krimis wetteiferte er gerne mit den Kommissaren um die Lösung eines Falles. Auf dem Bildschirm war es manchmal ganz schön kompliziert. Doch nach spätestens 90 Minuten hatten es die Ermittler geschafft, den Fall zu lösen. Das Drehbuch, die Regie und die vorgeschriebenen Zeitfenster der Fernsehanstalten verlangten das. Kaltenbach seufzte und wandte sich wieder dem Innenleben seines Ladens zu. Im richtigen Leben war es komplizierter. Es konnte Wochen und Monate dauern, bis es eine Lösung gab. Wenn überhaupt. Hier gab es keine Regie, die die Richtung vorgab. Oder etwa doch?
     
    Zusammen mit den letzten Fahrgästen des Tages verließ Kaltenbach den Bus an der Endhaltestelle vor der ›Krone‹ in Maleck. Er winkte dem Busfahrer zu, der sich sichtlich auf seinen wohlverdienten Feierabend freute. Nach ein paar Schritten stand er vor seiner Haustür.
    Nach diesem Tag war er zufrieden, wenigstens am Abend keine Hektik mehr zu haben. Im Kühlschrank fand er genau das, was er suchte und dazu brauchte. Er holte eine Schale mit eingelegten schwarzen Oliven hervor, dazu eine dicke Scheibe Schafskäse und zwei Tomaten. Dann sah er auf die Uhr. Es war noch eine halbe Stunde bis zum Tatort-Beginn. Heute gab es eine ältere Folge, die er aber noch nicht kannte.
    Kaltenbach trug das Tablett in sein Wohnzimmer, stellte es neben dem Sofa auf einen kleinen Rattantisch und schaltete das Dritte Programm ein, wo gerade die Fanfare zur ›Landesschau‹ ertönte. Doch zuerst wollte er sich noch ein Glas Wein einschenken.
    Auf dem Weg zur Küche hörte er im Hintergrund die Stimme des Sprechers. ›Wie bereits mehrfach gemeldet, wurde heute in den
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