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Engelslicht

Engelslicht

Titel: Engelslicht
Autoren: Lauren Kate
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Prolog
    Im Fall
    Zuerst war da Stille …
    In dem Raum zwischen dem Himmel und dem Sturz, weit in der unendlichen Ferne, gab es einen Augenblick, da das herrliche Summen des Himmels verstummte und durch eine Stille ersetzt wurde, die so absolut war, dass Daniels Seele angestrengt auf den leisesten Laut horchte.
    Dann war ihm, als würde er fallen – ein Sturz, den nicht einmal seine Flügel verhindern konnten, als hätte der Thron Monde an ihnen befestigt. Sie waren kaum zu bewegen, und wenn doch, hatten sie keinen Einfluss auf seinen Sturz.
    Wohin fiel er? Es war nichts vor ihm und nichts hinter ihm. Nichts oben und nichts unten. Nur undurchdringliche Dunkelheit und der verschwommene Umriss von dem, was von Daniels Seele übrig war.
    In der Lautlosigkeit übernahm seine Fantasie das Kommando. Sie füllte seinen Kopf mit etwas Unausweichlichem: den quälenden Worten von Lucindas Fluch.
    Sie wird sterben … sie wird niemals ins Erwachsenenalter eintreten – sie wird wieder und wieder und wieder sterben, in genau dem Moment, in dem sie sich an deine Entscheidung erinnert.
    Ihr werdet niemals wirklich zusammen sein.
    Es war Luzifers üble Verwünschung, seine verbitterte Ergänzung des Urteils, das der Thron auf der himmlischen Wiese gesprochen hatte. Jetzt kam der Tod seine Liebste holen. Konnte Daniel ihn aufhalten? Würde er ihn überhaupt erkennen?
    Denn was wusste ein Engel schon vom Tod? Daniel hatte erlebt, wie er friedlich zu einigen Menschen gekommen war, wie man die neue sterbliche Rasse nannte, aber der Tod betraf die Engel nicht.
    Tod und Erwachsenenalter: die beiden absoluten Werte in Luzifers Fluch. Keiner von beiden sagte Daniel etwas. Er wusste nur, dass die Trennung von Lucinda eine Strafe war, die er nicht ertragen konnte. Sie mussten zusammen sein.
    »Lucinda!«, rief er.
    Bei dem bloßen Gedanken an sie hätte ein wohliges Gefühl in seiner Seele aufsteigen sollen, aber da war nur der Trennungsschmerz, ein Übermaß von dem, was nicht war.
    Er hätte seine Brüder um sich herum spüren müssen – all jene, die sich falsch oder zu spät entschieden hatten, die überhaupt keine Wahl getroffen hatten und wegen ihrer Unentschlossenheit verstoßen worden waren. Er wusste, dass er nicht wirklich allein war. So viele von ihnen waren in die Tiefe gestürzt, als die Wolken sich über der Leere aufgetan hatten.
    Aber er konnte niemanden sehen noch spüren.
    Er war nie zuvor allein gewesen. Jetzt kam er sich wie der letzte Engel aller Welten vor.
    So darfst du nicht denken. Du wirst dich verlieren.
    Er versuchte, es vor sich zu sehen … Lucinda, den Namensaufruf, Lucinda, die Entscheidung … aber während er fiel, wurde es schwerer für ihn, sich zu erinnern. Was zum Beispiel waren die letzten Worte, die der Thron gesprochen hatte …
    Die Tore des Himmels …
    Die Tore des Himmels sind …
    Er wusste nicht mehr, wie es weiterging. Er entsann sich nur noch schwach, wie das große Licht geflackert und eine bittere Kälte sich über der Wiese ausgebreitet hatte, wie die Bäume im Obstgarten ineinander gestürzt waren und Wellen heftiger Turbulenzen ausgelöst hatten, die im ganzen Kosmos zu spüren gewesen waren, Wolkentsunamis, die die Engel geblendet und ihre Herrlichkeit vernichtet hatten. Da war noch etwas anderes gewesen, kurz vor der Zerstörung der Wiese, etwas wie ein …
    Zwilling.
    Ein kühner, strahlender Engel war während des Namensaufrufs emporgeschwebt und hatte gesagt, er sei Daniel, der aus der Zukunft zurückgekommen sei. Da war eine Traurigkeit in seinen Augen gewesen, die so … alt ausgesehen hatte. Hatte dieser Engel – diese Version von Daniels Seele – sehr gelitten?
    Hatte Lucinda gelitten?
    Ein gewaltiger Zorn stieg in Daniel auf. Er würde Luzifer finden, den Engel, der in der Sackgasse aller Ideen lebte. Daniel fürchtete den Verräter nicht, der einst der Morgenstern gewesen war. Daniel würde Rache nehmen, wo und wann auch immer dieses Vergessen ein Ende hatte. Aber zuerst würde er Lucinda finden, denn ohne sie war alles bedeutungslos. Ohne ihre Liebe ging gar nichts.
    Ihre Liebe war von der Art, die es unvorstellbar machte, sich für Luzifer oder den Thron zu entscheiden. Die einzige Seite, die er jemals wählen konnte, war ihre. Daher würde Daniel jetzt für diesen Entschluss bezahlen, aber er wusste noch nicht, welcher Art seine Strafe sein würde. Nur dass Lucinda von dem Ort verschwunden war, an den sie gehörte: seiner Seite.
    Plötzlich durchzuckte Daniel der Schmerz
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