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Die Braut des Herzogs (German Edition)

Die Braut des Herzogs (German Edition)

Titel: Die Braut des Herzogs (German Edition)
Autoren: Sophia Farago
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I .
    Das Haus von Lord Linham, am Ende der Brook Street im vornehmen Londoner Stadtteil Mayfair gelegen, erstrahlte in festlichem Glanz. Eine Kutsche nach der anderen fuhr vor; ihnen entstiegen Damen in eleganten Roben, tief dekolletiert, die Taille enggeschnürt, begleitet von Herren in noblem Frack und Zylinder.
    Im Inneren des Hauses herrschte lebhaftes Treiben. Obwohl es erst Ende April und somit noch früh in der Saison war, versprach der Ball, der zu Ehren des Debüts von Miss Julie Linham gegeben wurde, ein voller Erfolg zu werden. Wochenlang war emsig für dieses Ereignis gearbeitet worden. Lady Linham hatte zahlreiche zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt, und auch die eigene Dienerschaft war in unermüdlichem Einsatz gestanden.
    Der Aufwand hatte sich gelohnt: die Kristallüster an den Dekken des Ballsaales funkelten im Schein zahlloser Kerzen. Die Spiegel in schweren Goldrahmen, die eigens für diesen Anlaß an den Längsseiten des Saales angebracht worden waren, warfen das Licht tausendfach zurück. Üppige Blumenbouquets, in den Lieblingsfarben von Mylady – weiß und rosé – gehalten, tauchten den Raum in ein Blütenmeer und bildeten mit den neuerworbenen Vorhängen aus schwerer altrosa Seide eine harmonische Einheit. In den angrenzenden Räumen waren Sitzgelegenheiten aufgestellt worden, und Spieltische in der Bibliothek (die der Herr des Hauses nur mit äußerstem Widerwillen zur Verfügung gestellt hatte) garantierten, daß sich auch Tanzunwillige gut unterhalten konnten.
    Lady Heather Linham, eine korpulente Dame Mitte fünfzig, stand, in eine voluminöse Kreation aus dunkelrosa Krepp gehüllt, zusammen mit ihren beiden ältesten Kindern am Fuße der Treppe, die in den Ballsaal hinabführte, um die ankommenden Gäste zu begrüßen. Die Debütantin war eine junge Dame von siebzehn Jahren. Blonde Haare, die mit Hilfe eines heißen Eisenszu festen Locken gedreht worden waren, umrahmten ihr blasses Gesicht. Rote Flecken auf den Wangen verrieten die Aufregung, die Miss Julie Linham angesichts ihres ersten großen Auftretens in der Gesellschaft erfaßt hatte. Davon abgesehen sah sie jedoch reizend aus. Da sie zudem eine stattliche Mitgift zu erwarten hatte, zweifelte niemand daran, daß es an Bewerbern um ihr Herz und möglicherweise für den Ehestand nicht mangeln würde.
    Ein paar Schritte hinter der in zartes Rosa gekleideten Miss Linham stand ihr Bruder, Lord Charles Linham, der Hausherr. Er war neun Jahre älter als seine Schwester und hatte bereits vier Jahre zuvor das Erbe seines Vaters angetreten. Vielleicht war es der Umstand, daß er in so frühen Jahren – er war kaum großjährig geworden – die Verantwortung für seine Mutter, die drei jüngeren Geschwister und ausgedehnte Besitzungen hatte übernehmen müssen, der ihn früh hatte erwachsen werden lassen. Lord Linham wirkte älter als seine sechsundzwanzig Jahre. Er war ein gesetzter Mann, der wie seine Mutter etwas zur Korpulenz neigte. Seine sportlichen Ambitionen waren gering. Denn wenn er auch ein leidlich guter Schütze war, selbstverständlich sein eigenes Gespann lenkte und sogar ab und zu in Jackson’s Boxclub gesehen wurde, so geschah dies weniger, um besondere Fertigkeiten in einer dieser Sportarten zu erwerben oder aus Neigung, sondern allein um den gesellschaftlichen Konventionen Genüge zu tun. Er war nie nach der neuesten Mode gekleidet und verachtete die Eitelkeit der tonangebenden Dandys aus tiefster Überzeugung.
    Seine einzige Leidenschaft gehörte der Medizin. Er widmete seine Freizeit dem Studium heilkundiger Schriften, war über alle Leiden seiner Mitmenschen bestens informiert, konnte Krankheiten und Todesursachen vieler wichtiger Persönlichkeiten aus der Geschichte nennen und scheute sich auch nicht, seiner Umgebung Ratschläge in allen medizinischen Belangen aufzudrängen. Er galt mithin allgemein als ehrbarer junger Mann – aber auch als das, was junge Stutzer wie Mr. George Romsey einen »verdammt aufgeblasenen, langweiligen Kerl« nannten.
    In diesem Augenblick konnte Lord Linham nicht seinem Hobby frönen. Die Musikkapelle intonierte soeben den Eröffnungstanz und ihm oblag es, als erster seine Schwester aufs Parkett zu führen.
    Es blieb Lady Linham überlassen, später ankommende Gäste alleine zu begrüßen. Der Tanzsaal war bereits überfüllt. Mylady blickte mit sichtlicher Genugtuung in die Runde. Nichts verdeutlichte den Erfolg eines Ballabends mehr, als wenn die Gäste am nächsten Tag klagten, es
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