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Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Titel: Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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bunte Welt begann, sich um ihn zu drehen, wurde zu einer Spirale und erweiterte sich zu einem Trichter, dessen Ränder mit den Wolken verschmolzen, und auf dessen Boden sein Bewusstsein festgeklebt war wie zäher Leim.
    Nach unzählbaren schmerzhaften Augenblicken zog sich die Zeit wieder zusammen. Das Dröhnen und Brausen verdichtete sich zu einem rhythmischen Stampfen, das Kaltenbach als das Stolpern seiner eigenen Beine wiedererkannte. Um sich herum tauchten grün-graue Flächen auf, aus denen Fichten, Tannen und Buschwerk entstanden. Zu seinen Füßen breitete sich langsam, aber mit immer mehr Gewissheit, die alte Belchenstraße aus.

Mittwoch, 21. März, nachmittags
     
    Kaltenbach erwachte mit steifem Hals. Er fror. Die Scheiben seines Wagens waren von innen nass angelaufen, kleine Wassertropfen glitten über silbrige Bahnen und suchten sich ihren Weg nach unten. Stöhnend versuchte er, sich aus seiner zusammengesackten Stellung aufzurichten. Mit der Hand fuhr er über die Frontscheibe und sah nach draußen. Dann riss er die Wagentür auf. Ein Schwall Kälte drängte herein und mischte sich mit der abgestandenen Luft im Innern.
    Langsam kam er einigermaßen zur Besinnung. Irgendwie musste er es geschafft haben, den Weg zum Auto zu finden. Vage kehrte die Erinnerung an die Bilder des Morgens zurück, an die vielen Menschen und an die Sonne über dem Schwarzwald. Und er erinnerte sich schmerzhaft, weshalb er hierher gekommen war.
    Er sah auf die Uhr, es war kurz nach eins. Der Wind frischte unangenehm kühl auf. Der blaue Himmel hatte sich in der Zwischenzeit zugezogen und war einem diesigen Grau gewichen, dessen feuchte Ausläufer vom Gipfel des Belchen herunterkrochen. Immer mehr Menschen kamen zu ihren Autos zurück. Rufe wurden laut, Türen schlugen, Motoren wurden gestartet.
    Kaltenbach sah in den Rückspiegel. Seine Augen waren verquollen wie nach einer durchzechten Nacht, die Haut fahl und zerknittert, die Haare standen nach allen Seiten. Das Bild glich dem, was er in seinem Innern fühlte.
    Er hatte versagt. Er hatte im Wettlauf mit dem Bösen eine Niederlage erlitten, von deren Ausmaß er das Schlimmste befürchten musste.
    Es war vermessen gewesen zu glauben, er könnte ohne die Polizei etwas ausrichten. Der Streit mit Luise vor dem alten Rathaus in Freiburg fiel ihm ein. Waren nicht die vielen angeblichen Notwendigkeiten in Wahrheit von falschem Stolz überschattet? Von einem Ehrgeiz, der ihn an Grenzen getrieben hatte, die er bisher nicht gekannt hatte und daher falsch einschätzte?
    Er hatte keine Ahnung, was er Luises Mutter sagen sollte. Ob er überhaupt mit ihr sprechen sollte. Ob sie ihm überhaupt jemals wieder in die Augen sehen würde.
    Er musste damit rechnen, Luise nicht lebend wiederzusehen. Blaschke konnte in seinem Wahn alles Mögliche mit ihr angestellt haben. Nach den Morden an Peter und Oberberger würde er auch hier nicht davor zurückschrecken, das Schlimmste wahr werden zu lassen und Luise als finales Opfer seines kranken Gehirns missbrauchen.
    Kaltenbach wischte die Scheiben einigermaßen frei. Dann fuhr er sich ein paar Mal durch die Haare, atmete tief durch und startete den Wagen.
    Er musste weg von hier. Gleich.
     
    Kaltenbach fuhr ziellos durch den Südschwarzwald. Er kam durch kleine Orte, deren Namen er noch nie gehört hatte, und die er gleich wieder vergaß. Er fuhr schmale Waldwege entlang, bis er zu einer Schranke kam und umkehren musste. Er überquerte Brücken, passierte Wasserfälle und folgte namenlosen Bächen und Flüsschen. Von Zeit zu Zeit kam er an eine Weggabelung, an der er willkürlich eine Richtung einschlug. Das viele Grün um ihn herum beruhigte nur langsam seine wunden Nerven. Er baute Türme, Schlösser und Pyramiden in aberwitzigen Formen, zusammengesetzt aus Wenn, Aber, Vielleicht, aus Hätte und Weil, die am Ende in sich zusammenfielen wie wacklige Kartenhäuser.
    Irgendwann fand er sich auf einem Waldparkplatz wieder, sitzend auf einer Bank neben einem Brunnen. Das Plätschern des Wassers wirkte wie beruhigender Gesang und brachte ihn zurück. Er ging zu der Röhre, die aus einem roh behauenen Baumstamm herausragte, und hielt den Kopf unter den Strahl. Das eiskalte Wasser zog sein Innerstes zusammen und half seinem Ich, allmählich einen festen Grund zu finden, von dem aus er nüchtern werden konnte.
    Nach ein paar Minuten kehrte er zum Auto zurück und rief in Emmendingen an. Die alte Dame musste direkt neben dem Telefon gesessen haben, denn sie
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