Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Prinz der Düsternis

Prinz der Düsternis

Titel: Prinz der Düsternis
Autoren: Horst Hoffmann
Vom Netzwerk:
Horst Hoffmann
    Prinz der Düsternis
    Wer ist es, der herrscht über jenes Land,
    wo Leben nicht länger Leben ist,
    dort, wo Gedanken töten?
    Sieh dich nicht um und folge der Straße!
    Schreite voraus, den Blick hin zur Stadt!
    Du könntest ihn sehen, sein schreckliches Heer,
    Odam, den Prinzen der Düsternis…
    Pilgerlied, 4,20
     
    »Es ist, wie sie es sagten«, flüsterte Sadagar. »Es hat ihn verschluckt, Mythor – einfach verschluckt…«
    Mythor schrak aus seinen finsteren Gedanken auf, als der Steinmann ihn leicht am Arm rüttelte. Er hob den Blick und sah, was der Gefährte meinte Der Mond war verschwunden. Vor Augenblicken noch hatte er voll und hell am Himmel gestanden. Jetzt war es, als wäre das schreckliche, riesige Maul jenes Dämons über ihm zugeschnappt, das von Süden her Meile um Meile der Lichtwelt verschlang.
    Mythor kniff die Augen zusammen und versuchte, in der Dunkelheit voraus etwas zu erkennen. Kein Stern stand dort noch am Firmament. Mit jedem Tagesritt kam die Düsterzone erschreckend schnell näher. War sie noch in Horai als leuchtendes Band erschienen, am oberen Rand heller und nach unten hin immer dunkler.
    So sahen die Gefährten nun eine schwarze, finstere Wand vor sich. Bei Tage schluckte sie das Licht der Sonne, die nur ab und an durch die schleierartigen Ausläufer am Himmel hindurchblinzelte und dann wieder verschwand. Mythor erinnerte sich daran, dass er in weiter Ferne wolkenartige Gebilde zu sehen glaubte, bevor die Karawane ihr Lager aufschlug – hier, im Land südlich des Salzspiegels, von dem die Menschen weiter im Norden nur leise und voller Scheu sprachen. Diese Wolkengebilde waren ihm wie gewaltige Windhosen erschienen, die sich ständig veränderten, von unbändigen Mächten durcheinandergewirbelt und in neue Formen gepresst .
    Mythor erschauerte bei dem Gedanken an diese Mächte. Und nicht nur er spürte die Nähe der Schatten. Sadagar hatte wie er die ganze Nacht über kein Auge zugetan. No-Ango, dessen Gesicht wieder durch Bemalung gespalten war, sprach wenig und schien unablässig in sich hinein zu lauschen .
    Etwa ein Dutzend von Hrobons Vogelreitern war um das Diromo herum postiert, auf dem die Sänfte der Prinzessin ruhte. Dann und wann war schemenhaft die Gestalt der Shallad-Tochter zu sehen, wie sie sich hinter den kostbaren Zelttüchern bewegte, unruhig auf und ab ging. Eine Öllampe erhellte das Innere ihres kleinen Palasts. Hrobon selbst stand unbewegt vor dem Eingang, die Arme vor der Brust verschränkt, in einer Hand sein Krummschwert, das im Licht der Feuer blinkte.
    Shezad schlief nicht. Niemand fand Schlaf in dieser Nacht. Die Männer saßen um die Feuer herum und warteten auf den Morgen. Einige versuchten, sich durch Gespräche von dem abzulenken, was sie erwartete. Einen ersten Eindruck hatten sie bereits bekommen. In der Ferne war kurz vor Einbruch der Dunkelheit ein gewaltiger Dschungel aus ins Riesenhafte gewachsenen Pilzen zu sehen gewesen, und Hrobon hatte keinen Hehl aus seiner Absicht gemacht, weiterhin auf geradem Weg zu jenem nur ihm bekannten Treffpunkt zu reiten, an dem eine Abteilung von zweihundert Vogelreitern zur Karawane stoßen sollte.
    Das unheimliche Leben, das zwischen den Riesenpilzen auf sie warten mochte, machte Mythor weniger Kopfzerbrechen als dieser geheimnisvolle Treffpunkt. Es zog ihn nach Logghard, der seit 249 Sommern umkämpften Ewigen Stadt. Hrobon wusste zweifellos mehr, als er zu offenbaren gewillt war. Und sein Schweigen ließ dunkle Ahnungen im Sohn des Kometen aufsteigen. Wenn die prophezeite Entscheidung über das Schicksal Logghards so unmittelbar bevorstand, wie es den Anschein hatte, wenn Shezad allein durch ihr Erscheinen die Moral der dort Kämpfenden stärken sollte – weshalb brachte man sie nicht auf schnellstem Weg dorthin? Hrobon berief sich auf seinen vom Shallad selbst erhaltenen Auftrag, und der Gedanke an diesen Mann, der sich anmaßte, die Reinkarnation des Lichtboten zu sein, ließ Mythor Schlimmes ahnen.
    Von irgendwoher drang ein schauriger, langgezogener Schrei an die Ohren der Männer. Er stammte aus keiner menschlichen Kehle. Sadagar zuckte zusammen. Mythor versuchte abermals, mit Blicken das Dunkel zu durchdringen. Die Diromen und Orhaken hoben unruhig die verhüllten Köpfe. Einige konnten nur durch das schnelle Eingreifen ihrer Reiter am Aufspringen gehindert werden. Die Laufvögel ruhten zwischen den Männern und drängten sich wie sie in die Wärme der Feuer. Nur Mythor, Sadagar und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher