Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und so verlierst du sie

Und so verlierst du sie

Titel: Und so verlierst du sie
Autoren: Junot Díaz
Vom Netzwerk:
DIE SONNE, DER MOND, DIE STERNE
    Ich bin kein schlechter Kerl. Das klingt wie eine Ausrede, irgendwie gewissenlos, ich weiß, aber es stimmt. Ich bin wie alle anderen: schwach, voller Fehler, aber im Grunde gut. Magdalena sieht das allerdings anders. Sie hält mich für einen typischen Dominikaner: ein sucio, ein Arschloch. Vor vielen Monaten, als Magda noch meine Freundin war, als ich noch nicht bei fast allem aufpassen musste, habe ich sie nämlich mit dieser Kleinen betrogen, die so eine explodierte Achtziger-Jahre-Mähne hatte. Habe Magda auch nichts davon erzählt. Ihr kennt das ja. So einen stinkenden Knochen vergräbt man besser weit hinten im Garten seines Lebens. Magda hat es nur rausbekommen, weil das Mädel ihr einen beschissenen
Brief
geschrieben hat. Und in dem Brief standen
Einzelheiten
. Zeug, das man seinen Kumpels nicht mal betrunken erzählen würde.
    Dabei war dieser spezielle Anfall von Blödheit schon seit Monaten vorbei. Mit Magda und mir ging es bergauf. Wir waren uns nicht mehr so fremd wie in dem Winter, in dem ich sie betrogen habe. Die Eiszeit war vorüber. Sie kam vorbei, und statt mit meinen schwachsinnigen Freunden abzuhängen, ich am Rauchen, sie zu Tode gelangweilt, sahen wir uns Filme an. Fuhren mal hierhin und mal dahin zum Essen. Haben uns sogar ein Theaterstück im Crossroads angesehen, und ich habe sie zusammen mit ein paar großen Nummern fotografiert, schwarzen Dramatikern, und sie strahlt auf den Bildern so breit, dass man fast Angst hat, sie könnte sich den Kiefer ausrenken. Wir waren wieder ein Paar. Haben an den Wochenenden zusammen unsere Familien besucht. Sind ins Diner frühstücken gegangen, Stunden, bevor alle anderen auf waren, haben die Bibliothek von New Brunswick durchstöbert, die Carnegie spendiert hat, um sein Gewissen zu beruhigen. Wir hatten einen guten Rhythmus gefunden. Aber dann schlägt dieser Brief ein wie eine Star-Trek-Granate und sprengt alles in die Luft, Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Plötzlich will ihre Familie mich umbringen. Dass ich ihnen zwei Jahre hintereinander bei den Steuern geholfen habe und ihren Rasen mähe, ist egal. Ihr Vater, der mich wie seinen hijo behandelt hat, beschimpft mich am Telefon als Arschloch, er klingt, als würde er sich mit der Schnur erwürgen. Du verdienst nicht, dass ich spreche Spanisch mit dir, sagt er. Ich laufe in der Woodbridge Mall einer von Magdas Freundinnen über den Weg – Claribel, der Ecuadorianerin mit dem Abschluss in Biologie und den chinita-Augen –, und sie behandelt mich, als hätte ich jemandes Lieblingskind gefressen.
    Wie es mit Magda gelaufen ist, wollt ihr gar nicht hören. Als wären fünf Züge ineinandergekracht. Sie schleuderte mir Cassandras Brief entgegen – er verfehlte mich und landete unter einem Volvo –, und dann setzte sie sich auf den Bordstein und bekam kaum noch Luft. O Gott, hat sie gejammert. O mein Gott.
    An dieser Stelle, behaupten meine Jungs, hätten sie den ganzen Scheiß abgestritten. Cassandra? Welche Cassandra? Mir war so schlecht, dass ich es nicht mal versuchen konnte. Ich habe mich neben sie gesetzt, ihre fuchtelnden Arme festgehalten und irgendwas Blödes gesagt, so was wie Hör mir doch mal zu, Magda. Sonst verstehst du das nicht.

    Ich erzähle euch mal von Magda. Sie ist ein Original von der Bergenline Avenue: Klein, mit einer großen Klappe und breiten Hüften und dunklem, lockigem Haar, in dem man seine Hand vergraben kann. Ihr Vater ist Bäcker, ihre Mutter verkauft Kinderkleidung an der Haustür. Sie lässt sich zwar nicht verarschen, aber sie verzeiht einem vieles. Eine Katholikin. Hat mich jeden Sonntag in die spanische Messe geschleppt, und wenn einer ihrer Verwandten krank wird, vor allem die in Kuba, schreibt sie an ein Kloster in Pennsylvania und bittet die Nonnen, für ihre Familie zu beten. Sie ist der Nerd, den alle Bibliothekarinnen in der Stadt kennen, eine Lehrerin, die von ihren Schülern geliebt wird. Hat ständig Sachen aus der Zeitung für mich ausgeschnitten, dominikanisches Zeug. Wir haben uns, na, ich würde sagen, jede Woche gesehen, und trotzdem hat sie mir noch kitschige Briefchen geschickt: Damit du mich nicht vergisst. Wenn jemand es nicht verdient hatte, betrogen zu werden, dann Magda.
    Jedenfalls werde ich euch nicht damit langweilen, was passiert ist, nachdem sie es herausgefunden hat. Mit dem Betteln, dem zu Kreuze kriechen, dem Weinen. Sagen wir einfach, dass wir nach zwei Wochen von diesem Programm, nachdem ich zu ihrem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher