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Und so verlierst du sie

Und so verlierst du sie

Titel: Und so verlierst du sie
Autoren: Junot Díaz
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Diplomatenwagen, einen schwarzen BMW . Ich hocke mit Bárbaro auf dem Rücksitz, der Vizepräsident sitzt vorne und fährt. Casa de Campo und das brodelnde La Romana lassen wir hinter uns, und bald riecht alles nach verarbeitetem Zuckerrohr. Die Straßen sind dunkel, richtig scheißfinster, und die Insekten schwärmen wie eine biblische Plage durch unser Scheinwerferlicht. Wir lassen den Cognac herumgehen. Ich bin mit einem Vizepräsidenten unterwegs, also denke ich mir, scheiß drauf.
    Er redet – erzählt von seiner Zeit in Upstate New York –, aber Bárbaro auch. Der Anzug des Leibwächters ist zerknittert, seine Hände zittern, als er raucht. Toller Leibwächter. Er erzählt mir von seiner Kindheit in San Juan, nahe der Grenze zu Haiti. Liborios Land. Ich wollte Ingenieur werden, erzählt er mir. Ich wollte Schulen und Krankenhäuser für das pueblo bauen. Ich höre gar nicht richtig zu; ich denke an Magda und daran, dass ich ihre chocha wohl nie wieder kosten werde.
    Und dann sind wir ausgestiegen, stolpern eine Anhöhe hinauf, durch Büsche und guineos und Bambus, und die Moskitos fressen uns auf, als wären wir das Tagesgericht. Mit seiner wuchtigen Taschenlampe fegt Bárbaro die Dunkelheit weg. Der Vizepräsident trampelt fluchend durch das Unterholz und sagt, Hier muss es irgendwo sein. Das habe ich davon, dass ich so lange im Amt bin. Erst jetzt merke ich, dass Bárbaro eine riesige Maschinenpistole hält und seine Hand nicht mehr zittert. Er beobachtet weder mich noch den Vizepräsidenten – er lauscht. Ich habe keine Angst, aber das wird mir doch etwas zu abgefahren.
    Was ist das für eine Pistole?, frage ich, um überhaupt was zu sagen.
    Eine P 90 .
    Und was zum Teufel ist das?
    Etwas Neues aus etwas Altem.
    Na großartig, denke ich, ein Philosoph.
    Hier ist es, ruft der Vizepräsident.
    Ich arbeite mich zu ihm vor und sehe, dass er vor einem Loch steht. Die Erde ist rot. Bauxit. Und das Loch ist schwärzer als wir drei zusammen.
    Das ist die Jagua-Höhle, erklärt der Vizepräsident mit tiefer, respektvoller Stimme. Der Geburtsort der Taíno.
    Ich ziehe die Augenbrauen hoch. Ich dachte, die kämen aus Südamerika.
    Ich meine das mythologisch gesehen.
    Bárbaro zielt mit der Taschenlampe auf das Loch, aber das hilft auch nicht.
    Willst du sie von innen sehen?, fragt mich der Vizepräsident.
    Ich muss wohl Ja gesagt haben, denn Bárbaro gibt mir die Taschenlampe, und die beiden packen mich an den Fußknöcheln und lassen mich in das Loch hinab. Mein ganzes Kleingeld fliegt mir aus den Taschen. Bendiciones. Ich kann kaum was sehen, nur ein paar seltsame Farben auf den erodierten Wänden, und der Vizepräsident ruft herunter, Ist das nicht schön?
    Das ist der perfekte Platz für eine Erkenntnis, um einen besseren Menschen aus sich zu machen. Der Vizepräsident hat wahrscheinlich sein zukünftiges Ich gesehen, als er hier in der Dunkelheit hing, hat gesehen, wie er die Armen mit Bulldozern aus ihren Hütten vertreibt, und Bárbaro auch – hat gesehen, wie er ein gemauertes Haus für seine Mutter kauft und ihr zeigt, wie man die Klimaanlage einstellt –, aber ich, ich bringe nicht mehr zustande, als mich an das erste Gespräch mit Magda zu erinnern. Damals auf der Rutgers. Wir haben zusammen in der George Street auf einen Bus der Linie E gewartet, und sie hat Lila getragen. Alle möglichen Lila-Töne.
    Und in diesem Moment weiß ich, dass es vorbei ist. Wenn man über den Anfang nachdenkt, ist es das Ende.
    Ich weine, und als sie mich hochziehen, sagt der Vizepräsident ungehalten, Mein Gott, nun stell dich doch nicht so an.

    Das muss echtes Inselvoodoo gewesen sein: Das Ende, das ich in der Höhle vorhergesehen habe, wurde wahr. Am nächsten Tag sind wir zurück in die Staaten geflogen. Fünf Monate später bekam ich einen Brief von meiner Ex. Ich war mit einer anderen zusammen, trotzdem hat Magdas Handschrift mir jedes Luftmolekül aus den Lungen gebombt.
    Wie ich las, hatte sie auch einen anderen. Einen sehr netten Kerl, den sie neu kennengelernt hatte. Ein Dominikaner, wie ich.
Der Unterschied ist, dass er mich liebt
, schrieb sie.
    Aber ich greife vor. Ich muss euch zum Schluss noch zeigen, was für ein Idiot ich war.
    Als ich abends in den Bungalow zurückkam, war Magda noch wach und wartete auf mich. Sie hatte gepackt und sah aus, als hätte sie geheult.
    Ich fahre morgen nach Hause, sagte sie.
    Ich habe mich neben sie gesetzt. Ihre Hand genommen. Wir können das schaffen, habe ich gesagt. Wir
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