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Und so verlierst du sie

Und so verlierst du sie

Titel: Und so verlierst du sie
Autoren: Junot Díaz
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bedeutet, dass sie eine gottverdammte Festung ist, die mit ihren Mauern alle anderen draußen hält. Überall guachimanes und Pfauen und kunstvolle Formschnitthecken. Wirbt in Amerika damit, ein eigenes Land zu sein, und das könnte glatt stimmen. Hat einen eigenen Flughafen, sechsunddreißig Löcher zum Golfen, weiße Strände, die danach schreien, dass man drüberstapft, und die einzigen Dominikaner von der Insel, die man zu sehen bekommt, sind entweder stinkreich oder wechseln eure Bettlaken. Sagen wir einfach, mein abuelo war noch nie hier, und eurer auch nicht. Hierher kommen die Garcías und die Colóns, um sich nach einem langen Monat Unterdrückertum zu erholen, hier tauschen die tutumpotes mit ihren ausländischen Kollegen Tipps. Wer hier zu lange abhängt, dem wird der Ghettoausweis aberkannt, ohne weitere Fragen.
    Wir wachen frühmorgens auf, um zum Büfett zu gehen, und werden von fröhlichen Frauen bedient, die aufgemacht sind wie Aunt Jemima. Kein Scheiß: Die Schwestern müssen sich sogar Taschentücher um den Kopf binden. Magda kritzelt ein paar Postkarten für ihre Familie. Ich will über gestern reden, aber als ich davon anfange, legt sie ihren Stift weg. Schiebt sich die Sonnenbrille vor die Augen.
    Ich fühle mich von dir bedrängt.
    Womit bedränge ich dich denn?, frage ich.
    Ich brauche einfach ab und zu etwas Freiraum. Wenn ich bei dir bin, habe ich immer das Gefühl, dass du was von mir willst.
    Freiraum, wiederhole ich. Was meinst du damit?
    Na ja, dass wir vielleicht einmal am Tag was getrennt machen.
    Wann denn? Jetzt?
    Das muss nicht jetzt sein. Sie wirkt genervt. Sollen wir einfach an den Strand gehen?
    Auf dem Weg zum kostenlosen Golfcart sage ich: Es kommt mir vor, als würdest du mein ganzes Land ablehnen, Magda.
    Sei nicht albern. Sie lässt eine Hand in meinen Schoß fallen. Ich will einfach ausspannen. Was ist daran falsch?
    Die Sonne brennt, und das Blau des Meeres ist zu viel für das Gehirn. Casa de Campo hat Strände, wie die restliche Insel Probleme hat. Aber hier gibt es kein Merengue, keine kleinen Kinder, niemand will einem chicharrones verkaufen, und es herrscht deutlicher Melaninmangel. Alle fünfzehn Meter liegt mindestens ein Euroarsch auf einem Handtuch, wie ein fieses bleiches Monster, das vom Meer ausgekotzt wurde. Sie sehen aus wie Philosophieprofessoren, wie Westentaschen-Foucaults, und neben zu vielen von ihnen liegen dunkle dominikanische Mädchen. Ernsthaft, die Kleinen können höchstens sechzehn sein, für mich sehen sie puro ingenio aus. Schon daran, dass sie sich nicht verständigen können, merkt man, dass diese Paare sich nicht zu Hause am Rive Gauche kennengelernt haben.
    Magda trägt einen genialen Bikini in Oshuns Farbe, den ihre Mädels mit ihr ausgesucht haben, damit sie mich quälen kann, und ich stecke in dieser alten, abgewetzten Badehose, auf der »Sandy Hook Forever!« steht. Ich gebe es zu, mit Magda halbnackt in der Öffentlichkeit fühle ich mich unwohl und verletzlich. Ich lege ihr eine Hand aufs Knie. Ich wünschte nur, du würdest sagen, dass du mich liebst.
    Yunior, bitte.
    Kannst du sagen, dass du mich sehr gern hast?
    Kannst du mich in Ruhe lassen? Du nervst unglaublich.
    Ich lasse mich von der Sonne auf den Sand nageln. Magda und ich zusammen, das ist wirklich deprimierend. Wir sehen nicht aus wie ein Pärchen. Wenn sie lächelt, halten die Nigger gleich um ihre Hand an, wenn ich lächle, sehen die Leute nach ihren Brieftaschen. Schon seit wir hier sind, ist Magda der Star. Ihr kennt das ja, wenn man auf der Insel ist und die Freundin zu einem Achtel schwarz. Die Kerle flippen aus. Im Bus meinten die Machos, Tu sí eres bella, muchacha. Sobald ich ins Wasser gehe und eine Runde schwimme, quatscht sie irgendein südländischer Liebesbote an. Ich bleibe natürlich nicht höflich. »Verzieh dich lieber, Pancho. Wir sind in den Flitterwochen.« Einer von den Spinnern ist irre hartnäckig, er setzt sich sogar in unsere Nähe, damit er sie mit den Haaren um seine Nippel beeindrucken kann, und statt ihn zu ignorieren, fängt sie eine Unterhaltung mit ihm an, und es kommt raus, dass er auch Dominikaner ist, aus Quisqueya Heights, ein Stellvertretender Staatsanwalt, der sein Volk liebt. Besser, wenn sie von mir angeklagt werden, sagt er. Ich verstehe sie wenigstens. Ich finde, er hört sich an wie die Sorte Nigger, die in den alten Zeiten bwana zu uns anderen geführt hat. Nach drei Minuten ertrage ich ihn nicht mehr und sage, Magda, hör auf,
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