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Und so verlierst du sie

Und so verlierst du sie

Titel: Und so verlierst du sie
Autoren: Junot Díaz
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rangeschmissen hatte. Sie war erst seit ein paar Monaten aus der Wohngruppe raus, hatte aber schon einen Ruf als cuero weg. Viele dominikanische Mädchen in der Stadt wurden ziemlich weggesperrt – wir sahen sie im Bus und in der Schule und vielleicht noch im Pathmark, aber weil die meisten Familien wussten, was für tigueres in unserer Gegend unterwegs waren, durften die Mädchen nicht draußen abhängen. Nilda war da anders. Sie war das, was wir damals braunes Gesindel nannten. Ihre Mom war eine fiese Säuferin und rannte immer mit ihren weißen Lovern durch South Amboy, was hieß, dass Nilda abhängen konnte, und Alter, hat sie das ausgenutzt. Ständig unterwegs, ständig hielten Autos neben ihr. Bevor ich überhaupt mitbekommen hatte, dass sie aus der Wohngruppe raus war, hatte dieser alte Nigger aus einer der Wohnungen nach hinten raus sie aufgegabelt. Er hielt sie fast vier Monate auf seinem Schwanz, und ich sah sie oft in seinem abgefuckten, von Rost zerfressenem Sunbird herumfahren, wenn ich Zeitungen austrug. Der Sack war etwa dreihundert Jahre alt, aber weil er ein Auto hatte und eine Plattensammlung und Fotoalben über seine Zeit in Vietnam, und weil er ihr Klamotten kaufte, damit sie die alten wegschmeißen konnte, war Nilda ihm völlig verfallen.
    Diesen Typen habe ich aus tiefstem Herzen gehasst, aber wenn es um Männer ging, konnte man mit Nilda nicht reden. Ich habe sie immer wieder gefragt, Was macht der Faltensack? Und sie wurde so wütend, dass sie tagelang nicht mit mir gesprochen hat, und dann habe ich diesen Zettel bekommen, Ich will, dass du meinen Freund respektierst. Wenn du meinst, habe ich zurückgeschrieben. Dann ist der alte Kerl abgehauen, niemand wusste, wohin, das übliche Spielchen in unserer Gegend, und sie wurde ein paar Monate unter diesen Mackern aus Parkwood herumgereicht. Donnerstags, am Comictag, kam sie vorbei, um zu sehen, was ich mir geholt hatte, und erzählte mir, wie unglücklich sie war. Wir saßen zusammen, bis es dunkel wurde, und dann ging ihr Pieper, und sie sah auf die Nummer und meinte, Ich muss gehen. Manchmal konnte ich sie festhalten und wieder auf das Sofa ziehen, und wir blieben lange dort; ich wartete darauf, dass sie sich in mich verliebte, sie wartete auf keine Ahnung was, aber an anderen Tagen machte sie Ernst. Ich muss mich mit meinem Typen treffen, sagte sie dann.
    Einmal traf sie am Comictag allerdings meinen Bruder, der gerade nach einem Acht-Kilometer-Lauf nach Hause kam. Damals hat Rafa noch geboxt und war irre durchtrainiert, die Muskeln an Brust und Bauch wölbten sich wie auf den Bildern von Frazetta. Sie fiel ihm auf, weil sie diese irrwitzigen Shorts trug und dieses Trägershirt, das nicht mal einen Nieser ausgehalten hätte, und zwischen den Stoffen schaute ein winziges Röllchen Bauch hervor, und als er sie anlächelte, wurde sie ganz ernst und verlegen, und er sagte, sie solle ihm Eistee machen, und sie meinte, er soll ihn doch selbst machen. Du bist hier Gast, sagte er. Das musst du dir verdammt nochmal verdienen. Er ging duschen, und sobald er im Bad war, rührte sie in der Küche Eistee an, und ich sagte noch, lass es, aber sie meinte, warum eigentlich nicht. Wir haben ihn ganz ausgetrunken.
    Ich wollte sie warnen und ihr sagen, dass er ein Ungeheuer war, aber sie stürzte sich schon mit Lichtgeschwindigkeit auf ihn.
    Am nächsten Tag war Rafas Auto kaputt – was für ein Zufall –, also fuhr er mit dem Bus, und als er an unseren Plätzen vorbeiging, nahm er ihre Hand und zog sie hoch, und sie meinte, Lass mich los. Dabei hat sie zu Boden gestarrt. Ich will dir nur was zeigen, sagte er. Sie versuchte, den Arm zurückzuziehen, aber der Rest von ihr war bereit mitzugehen. Komm schon, sagte Rafa, und schließlich kam sie. Halt mir den Platz frei, bat sie mich im Gehen, und ich meinte so, Keine Angst. Bevor wir auch nur auf die 516 gebogen waren, saß Nilda auf seinem Schoß, und mein Bruder hatte eine Hand so weit unter ihren Rock geschoben, dass es aussah, als wollte er einen chirurgischen Eingriff vornehmen. Als wir ausstiegen, zog Rafa mich beiseite und hielt mir die Hand unter die Nase. Riech mal. Das, sagte er, ist das Problem mit Frauen.
    Den restlichen Tag durfte man nicht mal in Nildas Nähe kommen. Sie hatte sich die Haare zurückgebunden und sonnte sich in ihrem Sieg. Sogar die weißen Mädchen kannten meinen Muskelprotz von Bruder, der bald ins letzte Highschooljahr kam, und waren beeindruckt. Und während Nilda in der
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