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Tanz mit dem Engel

Tanz mit dem Engel

Titel: Tanz mit dem Engel
Autoren: Ake Edwardson
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trotzdem nicht.
    Es war das ganze schreckliche Warten. Sich unsichtbar zu machen und gleichzeitig dazusein, ganz außerhalb, die Augen überall.
    Jetzt ging er.
    Jetzt ging sie.
    Und dann das lange Warten. Die Gewohnheiten. Wann kamen die Leute zurück? Wer ging zur Arbeit und wer nur einmal um den Häuserblock? Wer glaubte, er hätte vergessen, den Herd auszumachen? Wer war sich sicher, daß das Licht in der Wohnung brannte, so daß er umkehren und nachsehen mußte, jeden Tag?
    Über das alles mußte man als Profi Bescheid wissen. Er war kein richtiger Profi, aber auf dem besten Weg dahin. Er arbeitete allein, und das war von Vorteil. Die Jungs, die mit Autos arbeiteten, waren immer zu zweit, aber er wollte auf niemanden angewiesen sein.
    Er verließ das Treppenhaus auf dem Stockwerk darunter, ging die halbe Treppe hoch und bekam die Tür in drei Sekunden auf und war drinnen. Er verstand es, keine Spuren auf dem Türrahmen zu hinterlassen.
    Er spürte den warmen Druck im Körper. Er wartete im Flur und hörte den Puls langsamer werden.
    Er wußte, daß die Stille hier ein Freund war und gleichzeitig ein Feind. Er machte nie Krach. Lag einer mit Grippe im Stock darüber, dann wollte er nicht stören.
    Er begann mit dem Wohnzimmer, da es beim erstenmal so gewesen war, und dann hatte er weiter nach dieser Routine gearbeitet. Nach diesen vier Monaten kannte er sich mit den Wohnzimmern der Leute aus. Was für ein Glück, daß man nicht darauf aus ist, Bücher zu stehlen, dachte er. Die Leute haben nicht viele Bücher zu Hause.
    Ich bin Einbrecher, aber ich habe Bücher zu Hause. Ich bin Einbrecher, aber ich bin auch Ehemann und Vater.
    Er hatte einmal eine andere Arbeit gehabt oder zwei, aber daran dachte er nicht mehr. Manche schaffen es, und andere schaffen es nicht, und er hatte seine Wahl getroffen.
    Der Mann, der hier wohnte, besaß Bücher. Er wußte, daß der Mann las, aber nicht, welche Literatur. Sein Aussehen ist nicht einzigartig, aber man vergißt es auch nicht, dachte er.
    Hätte ich mehr Zeit, würde ich gern die Titel durchsehen. Er ist gegangen und kommt lange nicht zurück, aber auf Risiken lasse ich mich nur zu meinen Bedingungen ein.
    Er suchte in Schubladen und an den Wänden entlang, fand aber nichts, was mit seiner Arbeit zu tun hatte. Er ging auf den Flur zurück und quer hinüber in einen Raum, der das Schlafzimmer war.
    Das Bett war nicht gemacht, und daneben, zwei Meter von der Tür, lag ein schwarzer Müllsack. Er war nicht leer. Er befühlte ihn von außen, und er faßte sich weich an. Er packte den Sack unten und leerte den Inhalt vorsichtig aus. Es waren ein Hemd und eine Hose, und die Kleidung war zum Teil mit etwas getränkt, das getrocknet war, und es sah aus, als wäre sie in ziegelrote Farbe getaucht.
    Zu Hause war er zerstreut. Es mußte über etwas nachdenken, und so war er nach Hause gegangen, ohne weiter in der Wohnung zu suchen.
    Draußen vor den Scheiben fiel Schnee, und er spürte einen Zug durch den Spalt im Fenster. Von seinem Platz aus konnte er einige Kinder sehen, die auf der Erde Schnee zusammenkratzten, bevor er sich richtig legen konnte. Er sah seinen Sohn mit einer Möhre in der Hand. Eine Nase sucht ihren Schneemann, dachte er. Da muß ich an Michael Jackson denken.
    »Woran denkst du?« fragte sie.
    »Was?«
    »Du siehst aus, als wärst du tief in Gedanken.« »Ich dachte an Michael Jackson.« »Den Sänger?«
    Er blickte weiter aus dem Fenster. Der Körper des Schneemanns nahm allmählich Form an. Er hatte einen Rumpf bekommen. Die Kinder hatten einen Unterleib gerollt, aber der Schneemann bekam keine Beine. Auf der ganzen Welt gibt es keine Schneemänner, die Beine haben, dachte er.
    »Ist es der Sänger Michael Jackson, an den du gedacht hast?« fragte sie.
    »Was?«
    »Nee, jetzt bist du dran.«
    Er wandte den Blick und sah sie an.
    »Ja, der Michael Jackson. Ich sehe Kalle draußen mit der Möhre in der Hand, und er steht da und wartet, daß der Schneemann, den sie bauen, einen Kopf bekommt, damit er die Nase einsetzen kann«, sagte er und blickte wieder aus dem Fenster.
    »Michael Jackson hatte doch vor ein paar Jahren Probleme mit der Nase«, fuhr er fort.
    »Da weißt du mehr als ich.«
    »Es stimmt. Hast du noch Kaffee?«
    Sie stand auf und holte den Kaffee vom Spültisch neben dem Herd.
    »Wie war es heute eigentlich?« fragte sie, als er Milch und dann Kaffee in die Tasse gegossen und getrunken hatte.
    »Wieso?«
    »Du warst so komisch, als du heimgekommen
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