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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber
Autoren: Mario Vargas Llosa
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seit der Geschichte mit der Irrenanstalt. Darum erzählt er überall, daß seine Frau so aufopfernd ist. Denn sie ist zu ihm zurückgekommen, als er verrückt war.«
    »Er ist ihr so dankbar wie ein Hund, weil sie ihn ernährt«, berichtete Dr. Rebagliati. »Oder glaubst du, sie könnten von dem leben, was Camacho verdient, indem er Polizeiinformationen zusammenträgt? Sie leben von ihrer Hurerei, sonst wäre er schon längst schwindsüchtig.«
    »Pedrito braucht ja wirklich nicht viel«, sagte Pascual und erklärte mir: »Sie wohnen in der Gasse San Cristo. Wie tief er gesunken ist, was? Der Doktor hier will nicht glauben, daß er einmal berühmt war, als er Hörspielserien schrieb, daß man ihn um Autogramme anbettelte.«
    Wir verließen den Raum. Aus der Garage nebenan waren das Mädchen mit den Quittungen und die beiden Redakteure und der kleine Junge mit den Paketen verschwunden. Sie hatten das Licht ausgemacht, und das Gerumpel in all der Unordnung hatte jetzt ein gespenstisches Aussehen. Auf der Straße verschloß Dr. Rebagliati die Tür. In einer Reihe gingen wir vier in Richtung Avenida Arica auf der Suche nach einem Taxi. Um irgend etwas zu sagen, fragte ich, warum Pedro Camacho nur recherchiere und nicht Redakteur sei.
    »Weil er nicht schreiben kann«, sagte Dr. Rebagliati, wie vorauszusehen war. »Er ist kitschig, er benutzt Worte, die niemand versteht, er ist die genaue Negation von Journalismus. Darum lasse ich ihn die Polizeiwachen ablaufen. Ich brauche ihn nicht, aber er unterhält mich, er ist mein Hofnarr, und außerdem verdient er weniger als ein Diener.« Er lachte unanständig und fragte: »Also, direkt heraus, bin ich nun zu diesem Mittagessen eingeladen oder nicht?«
    »Natürlich, das fehlte noch«, sagte der Große Pablito. »Sie und Don Mario sind meine Ehrengäste.«
    »Der Typ hat lauter Ticks«, sagte Pascual, wieder auf das Thema zurückkommend, als wir schon im Taxi Richtung Jirón Paruro fuhren. »Zum Beispiel will er nicht mit dem Autobus fahren. Er macht alles zu Fuß, er sagt, es gehe schneller. Ich stelle mir vor, was der am Tag herum wandert, und werde davon müde, allein die Polizeiwachen im Zentrum abzuklappern ist doch schon eine Sache von Kilometern. Haben Sie seine Schuhe gesehen?«
    »Er ist ein verdammter Geizkragen«, sagte Dr. Rebagliati mißmutig.
    »Ich glaube nicht, daß er geizig ist«, verteidigte ihn der Große Pablito: »Nur ein bißchen verrückt und außerdem ein Mann ohne Glück.«
    Das Mittagessen war eine lange Folge von bunten und feurigen kreolischen Gerichten, die wir mit kühlem Bier runterspülten, und dazu gab es von allem ein bißchen: pikante Geschichten, Anekdoten aus der Vergangenheit, viel Klatsch über Personen, ein bißchen Politik, und ich mußte noch einmal die unersättliche Neugier über die Frauen in Europa befriedigen. Es drohte sogar eine Schlägerei, als sich Dr. Rebagliati, schon betrunken, bei der Frau des Großen Pablito, einer dunklen Vierzig jährigen, die noch immer gut aussah, danebenbenahm. Aber ich ersann alles mögliche, damit während dieses langen Mittagessens keiner der drei auch nur noch ein einziges Wort über Pedro Camacho sagte.
    Als ich zum Haus von Tante Olga und Onkel Lucho kam (die jetzt nicht mehr meine Schwager, sondern meine Schwiegereltern waren), tat mir der Kopf weh, ich war niedergeschlagen, und es wurde schon Nacht. Cousine Patricia empfing mich mit sehr unfreundlichem Gesicht. Sie sagte, Tante Julia hätte ich mit der Geschichte, ich müsse Material für meine Romane zusammenstellen, an der Nase herumführen und sie zum Narren halten können, denn sie habe es ja nicht gewagt, mir irgend etwas zu sagen, aus lauter Furcht, ich könnte sie für kulturlos halten. Aber ihr mache es überhaupt nichts aus, für kulturlos gehalten zu werden. Wenn ich also das nächste Mal um 8 Uhr morgens das Haus verließe, um angeblich in die Nationalbibliothek zu gehen und Reden des General Manuel Apolinario Odria zu lesen, und um 8 Uhr abends mit roten Augen, nach Bier stinkend und wahrscheinlich mit Rougeflecken im Taschentuch nach Hause käme, würde sie mir das Gesicht zerkratzen oder einen Teller auf meinem Kopf zerschlagen. Cousine Patricia ist ein Mädchen mit viel Charakter und durchaus in der Lage, zu halten, was sie mir da versprochen hat.
     
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