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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber
Autoren: Mario Vargas Llosa
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hin. Er nickte (ich sah seinen fast kahl geschorenen Schädel) und brachte ein sehr kurzes, höfliches Lächeln hervor, das seine Zähne freilegte:
    »Sehr zu empfehlen für den Magen, für gute Verdauung, und außerdem verbrennt es das Fett«, sagte er. Und als ob er eine Konzession machen wollte, um uns loszuwerden: »Ja, es ist möglich, ich leugne es nicht. Wir könnten uns kennen, sicher.« Und wiederholte: »Angenehm.«
    Der Große Pablito war auch herangekommen und legte ihm mit einer väterlichen und spöttischen Geste den Arm um die Schulter. Während er ihn halb herzlich, halb verächtlich schüttelte, wandte er sich an mich:
    »Pedrito möchte sich hier nämlich nicht an die Zeit erinnern, in der er jemand war, jetzt, wo er das letzte Rad am Wagen ist.« Pascual lachte, der Große Pablito lachte, ich tat, als lachte ich, und selbst Pedro Camacho brachte so etwas wie ein Lächeln hervor. »Er tut sogar so, als erinnerte er sich nicht einmal an Pascual oder an mich.« Er fuhr ihm mit der Hand über sein kurzes Haar, als streichelte er einen Hund. »Wir wollen zusammen Mittag essen, um uns an die Zeiten zu erinnern, in denen du König warst: Du hast es geschafft, Pedrito, heute bekommst du ein warmes Essen. Du bist eingeladen!« »Ich danke Ihnen sehr, Kollegen«, sagte Camacho sofort und machte seine rituelle Verbeugung. »Aber es ist mir nicht möglich, Sie zu begleiten. Meine Gattin erwartet mich. Sie würde sich Sorgen machen, wenn ich nicht zum Mittagessen käme.«
    »Sie hat dich unter dem Pantoffel, du bist ihr Sklave, eine Schande ist das.« Der Große Pablito schüttelte ihn. »Sie haben geheiratet?« sagte ich überrascht, denn ich konnte es nicht fassen, daß Pedro Camacho ein Heim haben könnte, eine Frau, Kinder … »Donnerwetter, herz lichen Glückwunsch, ich hielt Sie für einen eingefleischten Junggesellen.«
    »Wir haben unsere Silber hochzeit gefeiert«, erwiderte er mir in seinem präzisen, aseptischen Ton. »Eine großartige Gattin, Herr. Aufopfernd und gut wie niemand sonst. Wir lebten getrennt, Umstände, die das Leben mit sich bringt. Aber als ich Hilfe brauchte, kam sie zurück, um mich zu unterstützen. Eine großartige Frau, das sage ich Ihnen. Eine Künstlerin, eine ausländische Künstlerin.«
    Ich sah, wie der Große Pablito, Pascual und Dr. Rebagliati sich spöttische Blicke zuwarfen, aber Pedro Camacho tat, als bemerkte er nichts. Nach einer Pause fügte er hinzu: »Also, amüsieren Sie sich, Kollegen, in Gedanken werde ich bei Ihnen sein.“
    »Paß auf, daß du nicht wieder etwas verbockst, das wäre das letzte Mal«, warnte ihn Dr. Rebagliati, als der Schreiber hinter dem Wandschirm verschwand.
    Man hörte noch die Schritte von Pedro Camacho – er war wahrscheinlich an der Tür zur Straße –, als Pascual, der Große Pablito und Dr. Rebagliati in Gelächter ausbrachen, sich zuzwinkerten, spöttische Fratzen zogen und dahin deuteten, wo er verschwunden war.
    »Er ist nicht so dämlich, wie er scheint, er spielt nur den Dämlichen, um sein Geweih zu verbergen«, sagte Dr. Rebagliati, jetzt geradezu frohlockend. »Immer, wenn er von seiner Frau spricht, habe ich schreckliche Lust zu sagen, hör auf, Künstlerin zu nennen, was man auf gut peruanisch eine drittklassige Stripteasetänzerin nennt.«
    »Man kann sich gar nicht vorstellen, was das für ein Monstrum ist«, sagte Pascual und machte ein Gesicht wie ein Kind, das den Butzemann sieht. »Eine uralte, fette Argentinierin, mit gebleichtem Haar, furchtbar geschminkt. Im Mezannine, dieser Bar für Bettler, singt sie halbnackt Tangos.«
    »Schweigen Sie und seien Sie nicht so undankbar, alle beide haben Sie sie vernascht«, sagte Dr. Rebagliati. »Ich auch, es sei gesagt.«
    »Was heißt hier Sängerin, sie ist eine Hure«, rief der Große Pablito aus, die Augen wie Feuerstellen. »Ich weiß es. Ich bin ins Mezannine gegangen, um sie zu sehen, und nach der Show hat sie mich angemacht, für zwanzig Pfund wollte sie mir einen blasen. Nein, Alte, du hast ja keine Zähne mehr, und ich mag es, wenn man ihn mir ganz zart knabbert. Nicht mal gratis, nicht mal, wenn du mich bezahlst. Denn ich schwöre Ihnen, sie hat keine Zähne mehr, Don Mario.«
    »Sie waren schon verheiratet«, sagte Pascual, während er sich die Ärmel seines Hemdes herunterkrempelte, sein Jackett anzog und die Krawatte umband. »Drüben in Bolivien, bevor Pedrito nach Lima kam. Es scheint, daß sie ihn verlassen hat, um her-umzuhuren. Sie sind wieder zusammen
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