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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber
Autoren: Mario Vargas Llosa
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war es auch, von der Berufsbezeichnung her gesehen. Aber kann man die vielleicht essen? Sie erhöhten mir das Gehalt, und das war das Allerwichtigste.«
    Als Portier hatte er keine aufreibende Arbeit: man mußte die Besucher anmelden, ihnen erklären, wo die verschiedenen Abteilungen des Senders lagen, den Andrang bei den öffentlichen Sendungen regulieren. Die übrige Zeit verbrachte er damit, mit dem Polizisten an der Ecke über Fußball zu diskutieren. Aber im Laufe der Monate – er schnalzte mit der Zunge, als suche er den Nachgeschmack einer angenehmen Erinnerung – gehörte es schließlich zu seiner Arbeit, jeden Mittag diese Käse- und Fleischpastetchen kaufen zu gehen, die man im Berisso machte, der Kneipe in Arinales, ein paar Blocks von Kanal 5 entfernt. Die Genaros liebten sie und auch die Angestellten, Schauspieler, Sprecher und Kameraleute, denen der Große Pablito auch Pastetchen kaufen ging, womit er sich ein gutes Trinkgeld verdiente. Auf diesen Gängen vom Sender zum Berisso (seine Uniform hatte ihm bei den Kindern des Viertels den Spitznamen Feuerwehr mann eingebracht) lernte der Große Pablito seine zukünftige Frau kennen. Sie war es, die jene knusprigen Köstlichkeiten herstellte, die Köchin vom Berisso. »Meine Uniform und mein Generalskäppi haben sie beeindruckt; sie sah mich und war hin«, er lachte, erstickte fast, trank sein Bier, holte mühsam Luft und fuhr fort. »Eine Dunkle, ganz große Klasse. Zwanzig Jahre jünger als der, der vor Ihnen sitzt, einen Busen, in den keine Kugel eindringt, das sage ich Ihnen, Don Mario.«
    Er hatte sie angesprochen und ihr Komplimente gemacht, sie hatte gelacht und schließlich waren sie zusammen ausgegangen. Sie hatten sich verliebt und eine Romanze wie im Film erlebt. Die kleine Dunkle war tatkräftig, unternehmungslustig und hatte den Kopf voller Pläne. Sie war auf die Idee gekommen, ein Restaurant zu eröffnen. Und als der Große Pablito fragte: »Und womit?«, antwortete sie, mit dem Geld, das man ihnen als Abfindung geben werde. Und obwohl es ihm verrückt vorkam, das Sichere für das Unsichere aufzugeben, setzte sie ihren Willen durch. Die Abfindungen reichten für ein armseliges Lokal am Jirón Paruro, und sie mußten sich überall Geld leihen für die Tische und den Herd. Er selbst strich die Wände und malte den Namen über die Tür: El Pavo Real. Im ersten Jahr verdienten sie gerade genug, um überleben zu können, und die Arbeit war überaus hart gewesen. Sie standen bei Tagesanbruch auf, um auf den Markt La Parada zu gehen, die besten Zutaten zu den niedrigsten Preisen zu erstehen, und alles machten sie allein: sie kochte, und er bediente und kassierte, und danach machten sie gemeinsam Ordnung. Sie schliefen auf Matratzen, die sie zwischen die Tische legten, wenn das Lokal geschlossen war. Aber vom zweiten Jahr an wuchs die Kundschaft, und zwar so sehr, daß sie eine Hilfskraft für die Küche und einen Kellner einstellen mußten, und schließlich schickten sie sogar Kunden fort, weil sie nicht mehr ins Lokal paßten. Und dann kam diese kleine Dunkle auf die Idee, das Nebenhaus zu mieten, das dreimal so groß war. Sie taten es und bereuten es nicht. Jetzt hatten sie sogar die zweite Etage ausgebaut und besaßen ein Häuschen gegenüber dem Pavo Real. Da sie so gut miteinander auskamen, heirateten sie.
    Ich beglückwünschte ihn und fragte ihn, ob er kochen gelernt habe.
    »Ich habe eine Idee«, sagte plötzlich der Große Pablito. »Wir holen Pascual ab und essen dann bei mir. Erlauben Sie mir, Ihnen dieses Festmahl zu bereiten, Don Mario.« Ich nahm an, weil ich Einladungen nie ablehnen konnte und auch weil ich neugierig war, Pascual wiederzusehen. Der Große Pablito erzählte mir, daß er eine Boulevard zeitschrift leite, daß er sich auch herausgemacht habe. Sie sahen sich oft, Pascual sei Stammgast im Pavo Real.
    Die Zeitschrift »Extra« hatte ihr Lokal ziemlich weit entfernt in einer Querstraße der Avenida Arica, in Brena. Wir fuhren in einem Autobus dorthin, den es zu meiner Zeit noch nicht gegeben hatte. Wir mußten mehrmals hin und her laufen, weil der Große Pablito die Adresse nicht mehr genau wußte. Schließlich fanden wir sie in einer abgelegenen Gasse hinter dem Kino Fan-tasîa. Schon von außen sah man, daß »Extra« nicht im Wohlstand schwamm. Da waren zwei Garagentüren, und dazwischen hing unsicher an einem einzigen Nagel ein Schild, das den Namen der Wochenzeitschrift verkündete. Innen entdeckte man, daß die beiden
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