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Tango Mosel

Tango Mosel

Titel: Tango Mosel
Autoren: Mischa Martini
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zu diesem Punkt gereicht, war er auf einmal nicht mehr in der Lage, auch nur einen Finger zu bewegen.
    Er öffnete nicht einmal die Augen, als das Rollgeräusch ganz nah gekommen war.
    »Brauchen Sie Hilfe?« Diese Frage wurde ihm nun schon zum wiederholten Mal gestellt. Er reagierte nicht.
    Walde spürte, wie er unter den Achseln gepackt und aufgerichtet wurde. Er öffnete die Augen. Zwei Männer in weißen Kitteln stützten ihn, während seine Beine sich immer noch anfühlten, als wären sie mit Gummi gefüllt. Eine Frau hinter einem beladenen Einkaufswagen starrten ihn an.
     
    Gabi schaute sich in der Dämmerung um. Das Polizeiboot war weg. Der Fluss machte einen weiten Bogen.
    Links waren die Häuser von Pfalzel und die alte Wallmauer zu erkennen.
    Sie schrak zusammen, als das Polizeiboot sich plötzlich von links näherte und gegen den Rumpf der Neptun stieß.
    Ihr Telefon klingelte. »Walde ist vor wenigen Minuten auf dem Uferweg am Verteilerkreis gefunden worden«, berichtete Stadler und fügte an: »Lebend! Und wir versuchen jetzt, euch aus der Strömung rauszudrücken. Wenn alles gut geht, brauchen wir gleich eure Hilfe.«
    »Walde ist aus der Mosel gerettet.« Sie stupste Grabbe an, der stumm neben ihr hockte.
    »Und was ist mit uns?« Grabbes Frage war kaum zu verstehen.
    Gabi musste schreien, um den laut aufheulenden Motor des Polizeibootes zu übertönen. »Stadler versucht, uns aus der Strömung zu drücken.«
    Die Geschwindigkeit des Wassers schien in der Weite des Moselbogens etwas nachgelassen zu haben. Das Polizeiboot drückte die Neptun Stück für Stück zur Außenseite des Moselbogens. Auf der daneben verlaufenden Uferstraße sausten die Fahrzeuge vorbei. Am dunkler werdenden Horizont tauchte eine weitere Moselbrücke auf. Davor lag eine schmale Insel.
    Gabis Telefon klingelte erneut. »Haltet euch gut fest, wir laufen in ein, zwei Minuten am Hahnenwehr auf«, warnte Stadler sie.
    »Halt dich gut fest!«, gab sie die Information an Grabbe weiter. »Ich schau mal nach Anweber.«
    Unter Deck drang nur noch wenig Tageslicht durch die Bullaugen. Nachdem Gabi sich die Treppe hinuntergetastet hatte, setzte sie sich auf die unterste Stufe. Da, wo Anweber vorhin gelegen hatte, bewegte sich etwas.
    »Herr Anweber?«
    Ein Stöhnen war die Antwort. Gabi glaubte zu erkennen, dass der Verletzte sich aufgerichtet hatte.
    »Sie sind niedergeschlagen worden, und die Neptun ist abgetrieben.« Sie ergriff mit beiden Händen das Geländer über sich. »Legen Sie sich bitte wieder hin, das Schiff wird gleich auf Grund aufsetzen!«
    Sie registrierte, dass sich der Mann, begleitet von einem weiteren Stöhnen, wieder hinlegte.
    Dann krachte es. Der Schlag war gewaltig. Gabis Hände lösten sich vom Geländer und sie rollte über den Boden.
     
    Das Duschwasser war viel zu heiß. Walde regulierte es, bis es kalt und für seine unterkühlte Haut erträglich wurde. Dann steigerte er ganz behutsam die Temperatur. Es dauerte Minuten, bis er sich endlich mühsam einseifen und die Haare waschen konnte.
    Draußen bekam er eine warme Decke. Den Kaffee nahm er dankbar aus der Hand des Mannes im weißen Kittel, auf dem dick das Logo eines Supermarktes prangte, entgegen. Walde zitterte. Ein Teil des Kaffees lief über sein Kinn.
    »Wir haben den Rettungsdienst und die Polizei verständigt. Sind Sie Herr Bock?«
    Walde nickte.
    »Dann sind Sie von Zurlauben bis hierher durch die Mosel …?«
    »Umgekehrt wäre es Weltklasse gewesen.« Meyer kam zur Tür hereingeschlurft. »Draußen stehen zwei Sanitäter.«
    »Kannst du wegschicken!«, sagte Walde. Seine Zähne schlugen aufeinander. »Wie steht es um Gabi und Grabbe?«
    »Die scheinen, laut Stadler, knapp diversen Kollisionen mit Schiffen und Brücken entgangen zu sein.« Er nahm vom Marktleiter eine Tüte entgegen, in die Waldes nasse Kleidung gepackt worden war.
    »Bringst du mich nach Hause?«
    »Alles klar.« Meyer führte ihn aus den Personalräumen des Einkaufszentrums durch ein Spalier von Schaulustigen.
     
    »Kommst du mit rein?«, fragte Walde seinen Kollegen, als der Wagen vor der Haustür hielt.
    »Danke, ein andermal«, versuchte Meyer abzuwiegeln. »Leg dich erst mal hin!«
    »Ich wollte eigentlich gleich weiter zum Präsidium.«
    »Wenn du schon nicht zum Arzt willst, solltest du dich jetzt wenigstens schonen.«
    »Doch nicht jetzt!«, entrüstete sich Walde. »Wir haben sowieso schon viel zu viel Zeit verloren.« Sein Zittern hatte nachgelassen.
    Doris und Annika
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