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Tango Mosel

Tango Mosel

Titel: Tango Mosel
Autoren: Mischa Martini
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hatte er das Ende der Insel hinter sich gelassen, war dem Fluss ausgeliefert, der sein Spiel mit ihm trieb, ihn unter Wasser drückte, vom Ufer wegzog, ihn um sich selbst drehen ließ. Dabei warf er einen Blick auf die hoch aufragende Neptun. Er musste in eine schnellere Strömung geraten sein. Das Schiff war auf einmal dicht hinter ihm und im Begriff, sich querzulegen.
     
    Gabi lag eingekeilt zwischen umgestürzten Tischen und Stühlen. Die Taschenlampe war weg, ebenso ihre Handtasche.
    Ganz in der Nähe hörte sie ein lautes Rumpeln. Stühle wurden umgeworfen, Tische geschoben.
    »Gabi?« Grabbes Stimme klang aufgeregt.
    »Ja, hier bin ich!« Sie setzte sich soweit auf, wie es der Tisch über ihr zuließ, und tastete den Teppichboden ab. Ein heißer Schmerz in ihrer linken Schulter ließ sie instinktiv den linken Arm an den Körper ziehen. Mit der rechten Hand suchte sie weiter.
    »Wir müssen hier raus!«, rief Grabbe. »Sonst saufen wir ab!« Er schien wieder auf die Beine gekommen zu sein. »Hörst du das? Irgendwo ist ein Leck.«
    Das Schiff schlingerte heftig. Gabi bekam einen Henkel ihrer Tasche zu fassen. Sie ließ sich aber nicht herausziehen, weil sie zwischen den Möbeln feststeckte.
    »Jetzt komm endlich!«, forderte sie ihren Kollegen auf. »Hilf mir mal!«
    Grabbe räumte eilig Stühle zur Seite und half Gabi, die Handtasche freizubekommen. Die Taschenlampe blieb verschwunden.
    Während Grabbe zur Treppe lief, sah Gabi nach dem Verletzten. Der Koch war über den Teppichboden gerutscht, aber vor den verkeilten Möbeln liegen geblieben. Gabi brauchte seine Lage nicht zu verändern und versicherte sich, dass er noch Puls hatte.
    Grabbe stand mit offenem Mund auf dem Deck und musste mit ansehen, wie sich die Insel und Zurlauben hinter ihm in einem dichter werdenden Regenvorhang entfernten. Für einen Moment wollte er es nicht wahrhaben. Die Neptun trieb fernab des Zurlaubener Hafens quer zur Flussrichtung. Sie hatte an Tempo gewonnen und schaukelte bedrohlich.
    Grabbes Beine gaben nach, eine entsetzliche Übelkeit überkam ihn. Gerade noch bekam er eine Stange an der Reling zu fassen, ehe er sich, flach auf dem nassen Boden liegend, in die Mosel erbrach.
    »… ja, den Krankenwagen brauchen wir auch, aber ruft jetzt die Wasserschutzpolizei, die Feuerwehr, was weiß ich«, hörte er neben sich Gabis aufgeregte Stimme. »Aber schnell, wir treiben schon an Pallien vorbei, Richtung Biewer und Pfalzel.«
    Als er aufschaute, sah er, wie Gabi mit fast beschwörender Miene ihr regennasses Mobiltelefon anstarrte, bevor sie die Hand sinken ließ.
    »Wo ist eigentlich Walde?«, fragte Grabbe mit schwacher Stimme.
    »Was?«
    »Wo ist Walde?«, wiederholte Grabbe und spähte über das Wasser. Schnell zog er seinen Oberkörper aufs Deck zurück, denn die Neptun schoss auf eine gekenterte rote Boje zu. Es gab ein gewaltiges Knirschen, als das Schiff daran vorbeischrammte. Es hatte sich gerade soweit gedreht, dass es das Hindernis nicht mit der Breitseite erwischte.
    Gabi hackte wieder auf die Tastatur ihres Telefons ein. »Hallo Gerd, hier ist Gabi … Ihr wisst Bescheid … Walde ist im Wasser oder an Land … am Pfalzeler Hafen … das ist nicht weit … ja, ist klar … kann ich vielleicht den Motor starten … oder lenken … ach so, ja, dann bis gleich … beeilt euch!«
    Diesmal starrte sie ihr Handy an, als müsste ein Geist daraus aufsteigen, der Hilfe brachte. Grabbes Übelkeit hatte sich etwas gelegt. Er stützte sich auf das Seil der Reling und rappelte sich vorsichtig auf. »War das gerade Stadler von der Wasserschutzpolizei?«
    »Ja, sie kommen uns mit ihrem Boot entgegen. Ich habe ihn gefragt, ob ich vielleicht den Motor starten könnte, aber er meinte, da gäbe es keinen Schnellkurs …«
    Die Mosel machte einen weiten Bogen. Gabi beobachtete, wie die Neptun, sich mit dem Bug nach vorn drehend, Richtung Flussmitte hinaus trieb.
    »Stadler meint, so was gäbe es nur im Film, wenn die Piloten ausfallen und ein Passagier, der vielleicht mal ein Modellflugzeug gelenkt hat, eine Boing auf der Autobahn landet.« Sie wusste nicht, ob sie mit ihrem Gerede sich selbst oder Grabbe von der Angst ablenken wollte. »Außerdem, sagt Stadler, brauchen wir für die Neptun zwei Leute, einen auf der Brücke und einen für die Maschinen. Hoffentlich sind sie bald da!«
    »Da, siehst du das?« Grabbe zeigte flussabwärts.
    Ein großes Frachtschiff kam ihnen auf Kollisionskurs entgegen.
    Walde hatte es mit Kraulen und
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