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Die schwimmende Stadt

Die schwimmende Stadt

Titel: Die schwimmende Stadt
Autoren: Hubert Haensel
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1.
    Ein jäh aufzuckender greller Blitz schien das Firmament zu spalten. Für den Bruchteil eines angsterfüllten Augenblicks erhob sich düster und drohend eine steile Wand aus der See. Schäumend brachen sich die Wellen an ihr.
    Die Gondel aus Drachenhaut wurde hochgewirbelt und glitt auf glitzernder Flut schnell dahin, bis ein heftiger Ruck unvermittelt Einhalt gebot. Teile der Bespannung rissen. In das Geräusch aus der Ferne heranrollenden Donners mischte sich ein wütender Aufschrei.
    »Die Fische werden uns fressen!«
    Solches war bezeichnend für Gerrek, den Mandaler. Eben noch überzeugt, daß die Schwimmende Stadt ihre Rettung bedeutete, konnte schon eine mannshohe Woge übelriechenden Wassers ihn wieder zur Verzweiflung bringen.
    Der Einschlag eines zweiten Enterhakens erfolgte. Flüchtig glaubte Mythor, den Widerschein von Fackeln zu erkennen. Aber es mochten seine überreizten Sinne sein, die ihn narrten, denn der heftige Sturm würde jede offene Flamme sofort auslöschen.
    Unaufhaltsam sank die Gondel des ehedem stolzen Zugvogels. Den Ballon hatten die Wellen längst unter sich begraben.
    Immer näher schob sich die düstere Wand heran. Etliche dicht aufeinander folgende Blitze ließen den Sohn des Kometen erkennen, daß sie von Höhlen und Schrunden durchzogen war.
    Stimmen wurden laut. Aber der Sturm riß sie mit sich fort, bevor jemand verstehen konnte.
    »Weiber!« krächzte Gerrek. »Es ist tatsächlich eine der Schwimmenden Städte. Vina mag sie auf unseren Weg geführt haben.«
    Der Mandaler sah in der Dunkelheit ebenso gut wie am Tag. Er schien bereits erkannt zu haben, was seinen Begleitern noch verborgen blieb.
    Die Gondel wurde herumgewirbelt; ein Wellental tat sich vor ihr auf. Mythor glaubte, in eine endlose Tiefe zu stürzen. Dann schlug die See über ihm zusammen. Ramoas Hand, die sich fest um die seine klammerte, löste sich.
    Instinktiv wollte er nach einem Halt greifen, doch da war nichts mehr. Begriffe wie unten und oben verwischten innerhalb eines einzigen Herzschlags.
    Wenn du in den Sog der Schwimmenden Stadt gerätst, bist du verloren, durchzuckte es Mythor. Ein eisernes Band legte sich schmerzhaft um seinen Brustkorb; die Luft wurde ihm knapp. Trotz der drohenden Gefahr konnte er nicht anders, als sich heftig abzustoßen.
    Fronja! schrie alles in ihm.
    Er fühlte, daß die Tochter des Kometen auf ihn wartete. Ihr allein galt sein Sehnen und Hoffen – ihr Bild trug er im Herzen.
    Unvermittelt vernahm Mythor wieder das Tosen der wild bewegten See. Der Sturm wirbelte die Gischt von den Wellen auf und peitschte sie vor sich her. Eisige Kälte stach ihm ins Gesicht.
    Ein hastiger Atemzug verscheuchte die beginnende Schwäche.
    Erneut wurden Stimmen laut. Diesmal waren sie so deutlich, daß Mythor unwillkürlich herumfuhr.
    Keine zwei Schritte von ihm entfernt war Land. Der Kämpfer der Lichtwelt streckte die Arme aus, doch ein schwerer Brecher riß ihn abermals in die Tiefe.
    Hart wurde er gegen die Klippen geschleudert, während eine heftiger werdende Strömung ihn mit sich zerrte.
    Verzweifelt suchte Mythor nach einem Halt. An schroffen Kanten schürfte er sich die Arme auf, wohl wissend, daß der Sog ihn nie mehr freigeben würde, wenn es ihm nicht gelang, jetzt dagegen anzukämpfen.
    Mit letzter Anstrengung schaffte er es, sich an der ausgewaschenen Wand festzukrallen. Die Sinne drohten ihm bereits zu schwinden, als er endlich wieder an die Oberfläche kam.
    Im selben Moment klatschte etwas unmittelbar neben ihm ins Wasser.
    »Worauf wartest du noch?« rief eine heisere Frauenstimme. »Du solltest froh sein, daß wir dich nicht einfach ersaufen lassen.«
    Mythor packte zu. Er fühlte ein Tau aus gedrehten Pflanzenfasern zwischen seinen Fingern.
    Täuschte er sich, oder hatte das Heulen des Sturmes ein wenig nachgelassen?
    Das Salzwasser brannte in seinen Augen und machte es schwer, Einzelheiten zu erkennen. Zwei Frauen streckten ihm lange Stangen entgegen, als er nur noch wenige Schritte von dem breiten Vorsprung, auf dem sie standen, entfernt war. Mit verblüffender Leichtigkeit zogen sie ihn zu sich hoch.
    »Danke«, sagte Mythor, erhielt jedoch als Antwort nur einen Stoß in den Rücken, der ihn vorwärtstaumeln ließ.
    »He«, protestierte er und wollte sich umdrehen, wurde aber daran gehindert.
    »Sei still!« zischte die heisere Stimme. »Dahinauf.«
    Allmählich wich der Schleier von seinen Augen, und Mythor konnte deutlicher erkennen, wo er sich befand.
    Eine schmale,
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