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Die schwimmende Stadt

Die schwimmende Stadt

Titel: Die schwimmende Stadt
Autoren: Hubert Haensel
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steile Treppe führte durch den gewachsenen Fels. Die Stufen, überhaupt das ganze Gestein, wirkten wie großporige Lava. Algenbewuchs und kleine Muscheln verrieten, daß hier oft das Wasser bis zu zwei Schritt höher stand.
    »Er sieht kräftig aus«, hörte der Sohn des Kometen hinter sich sagen.
    »Als Sklave wird er wohl zu gebrauchen sein.«
    »Und sonst?« Die Frau lachte rauh.
    »Niemals kann er die ersetzen, welche wir an der Großen Barriere verloren haben.«
    Mythor wandte den Kopf, um zu sehen, mit wem er es zu tun hatte.
    »Schau nach vorn!« wurde er sofort angefahren. Die Spitze eines Schwertes in seinem Rücken machte es ihm leicht, dem Befehl nachzukommen.
    »Was ist aus meinen Freunden geworden?« wollte er trotzdem wissen.
    »Freunden?« echote es. »Die Hexe kann nur deine Meisterin gewesen sein. Sie ist in Sicherheit. Und diese Bestie mit dem Drachenmaul – nun, Galee wird wissen, was mit ihr zu geschehen hat.«
    »Wer ist Galee?«
    Mythor erhielt keine Antwort mehr.
    Die Treppe schien endlos zu sein. Manchmal waren die Stufen weich und nachgiebig und von einer dünnen Schicht Erde überzogen. Dann wieder zeigten sich scharfe Kanten und Bruchstellen. In gewisser Weise war das Gestein den Schwämmen ähnlich, die Mythor erstmals bei Nyala von Elvinon gesehen hatte. Die Erinnerung schmerzte ihn.
    Endlich bemerkte er über sich ein Stück blauen Himmels. Die Wolkendecke riß auf.
    Der Krieger der Lichtwelt trat hinaus auf einen von Büschen gesäumten Platz. Etliche Frauen starrten ihm entgegen. In ihren Gesichtern stand Neugierde geschrieben, aber auch eine nicht zu übersehende Verachtung. Für sie war ein Mann vor allem Sklave.
    In der Ferne geisterten Lichtfinger über das Meer, das noch immer stürmisch war und bewegt. Ein Regenbogen schien wie die Verheißung eines neuen Anfangs.
    Mythors Blick wanderte weiter. Zu beiden Seiten erhoben sich schroffe, von schimmernden Adern durchzogene Klippen. Auch sie bestanden aus dem schwammigen Material, das trotz einer gewissen Nachgiebigkeit fest und widerstandsfähig war. Im Hintergrund erhoben sich einfache, zweckmäßige Bauten, und weiter entfernt gab es sogar eine größere bergartige Erhebung.
    »Du«, eine der beiden Frauen, die ihn gerettet hatten, stieß Mythor recht unsanft zwischen die Rippen, »woher kommst du?«
    Er zögerte mit der Antwort, weil er Gerrek und Ramoa entdeckte, die von einer Schar heruntergekommen wirkender Weiber umringt wurden. Die Feuergöttin war eben im Begriff, sich aufzurichten, während der Beuteldrache noch ohne Bewußtsein war.
    »Rede gefälligst!« zischte die Frau und hob in unmißverständlicher Geste ihr Schwert. Mythor bemerkte, daß es schartig war und einen wirklich scharfen Schliff vermissen ließ.
    »Tau-Tau ist meine Heimat«, sagte er.
    »Die Insel im Dämmerland, im Einflußbereich der Zaubermutter Zahda?«
    »Honga ist mein Sklave«, erklang Ramoas wütender Ausruf. »Laß deine fetten Finger von ihm.« Aber nur wenige achteten auf sie.
    Die Bewohnerinnen der Schwimmenden Stadt, soweit sie sich hier versammelt hatten, machten durchwegs einen schlechten Eindruck. Sie wirkten wie ein bunt zusammengewürfelter Haufen aus den verschiedensten Völkern Vangas. Fast allen zu eigen war eine nicht unbeträchtliche körperliche Fülle, die nur Folgeerscheinung üppiger Völlerei sein konnte. Amazonen schienen nicht unter den Frauen zu sein, von denen die größte kaum sechs und die kleinste nicht viel mehr als viereinhalb Fuß maß. Sie trugen die verschiedensten Kleidungsstücke, die zweckmäßig und auf größte Bewegungsfreiheit ausgerichtet waren.
    Auf Mythor machten sie den Eindruck von Piratinnen. Sie mochten wild sein, rauh und verwegen. Ihre Gesichter waren zumeist von Wind und Wetter gegerbt und trugen die Spuren manchen Kampfes.
    Ein gellender Schrei zerriß die entstandene Stille. Gerrek kam schwankend auf die Beine, wobei er natürlich über seinen Schwanz stolperte und der Länge nach hinschlug.
    »Das Wasser«, kreischte er. »Hiiilfeee!«
    »Öffne die Augen, du Tölpel«, rief jemand.
    Das Gezeter verstummte schlagartig.
    »Ha«, machte der Mandaler verwirrt. »Wo bin ich?« Er wälzte sich auf die Seite, stierte für einige Augenblicke unverwandt zum blauen Firmament empor und richtete sich dann vorsichtig halb auf.
    »Wenn ich tot bin«, murmelte er erschrocken, »müssen Dämonen mich in ihre Gewalt gebracht haben.«
    »Was redest du für Unsinn?« fuhr Ramoa ihn an. »Wir leben und sind
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