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Leaving Paradise (German Edition)

Leaving Paradise (German Edition)

Titel: Leaving Paradise (German Edition)
Autoren: Simone Elkeles
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    1 Caleb
    Auf diesen Moment habe ich ein Jahr lang gewartet. Man hat schließlich nicht jeden Tag die Chance, aus dem Gefängnis freizukommen. Klar, bei Monopoly würfelt man einfach dreimal und hofft auf einen Pasch oder man bezahlt seine Strafe und ist frei. Aber hier im Illinois Departement of Corrections, Abteilung Jugendstrafvollzug, oder DOC , wie es bei uns Insassen heißt, werden keine Spielchen gespielt.
    Oh, es ist nicht so krass, wie es sich anhört. Der männliche Jugendstrafvollzug ist tough, aber kein Vergleich zum Erwachsenenvollzug. Ihr fragt euch jetzt wahrscheinlich, warum ich das ganze letzte Jahr eingesperrt war. Ich bin verurteilt worden, betrunken Auto gefahren zu sein und ein Mädchen angefahren zu haben. Noch dazu war es ein Unfall mit Fahrerflucht, was den Richter, der meinen Fall auf dem Tisch hatte, extrem angepisst hat. Er hat mir allein dafür noch mal drei Monate zusätzlich aufgebrummt.
    »Bereit, Caleb?«, fragt Jerry, der Zellenwärter.
    »Ja, Sir.« Ich habe dreihundertundzehn Tage auf diesen Moment gewartet. Darauf, dass ich bereit bin, könnt ihr einen lassen.
    Ich hole tief Luft und folge Jerry in den Raum, in dem der Bewährungsausschuss mich beurteilen wird. Die anderen Typen in meinem Zellenblock haben mich instruiert. Sitz gerade, guck reumütig, sei höflich und so weiter. Aber mal ehrlich, wie sehr sollte man ein paar Typen trauen, die es bisher selbst nicht hier raus geschafft haben?
    Als Jerry die Tür des Befragungsraums öffnet, beginnen meine Muskeln zu zucken und mir bricht unter meinem vom Staat bezahlten Overall, den vom Staat bezahlten Socken und jawohl, selbst der vom Staat bezahlten Unterhose der Schweiß aus. Vielleicht bin ich doch nicht so bereit für all das hier.
    »Bitte nehmen Sie Platz, Mr Becker«, weist mich eine Frau mit Brille und strengem Gesichtsausdruck an.
    Ich schwöre, die Szene ist aus einem schlechten Film geklaut. Sieben Personen sitzen hinter endlos langen Tischen, vor denen ein einsamer Metallstuhl steht.
    Ich setze mich auf das kalte, unnachgiebige Metall.
    »Wie Sie wissen, sind wir hier, um darüber zu entscheiden, ob Sie so weit sind, diese Einrichtung zu verlassen und ein Leben als freier Bürger zu führen.«
    »Ja, Ma’am«, erwidere ich. »Ich bin so weit.«
    Ein massiger Kerl, der offensichtlich plant, den bösen Cop zu geben, hebt die Hand. »Oha, immer langsam mit den jungen Pferden. Wir haben noch ein paar Fragen an Sie, bevor wir entscheiden, ob Sie so weit sind.«
    Oh, Mann. »Tut mir leid.«
    Massiger Kerl checkt meine Akte, blättert sie Seite für Seite durch. »Erzähl en Sie mir von dem Abend, an dem der Unfall passiert ist.«
    Der eine Abend in meinem Leben, den ich gern für immer ausradieren würde. Nach einem tiefen Atemzug sage ich: »Ich war auf einer Party und habe getrunken. Ich fuhr nach Hause, verlor dabei aber die Kontrolle über meinen Wagen. Als mir klar wurde, dass ich jemanden angefahren hatte, bin ich ausgeflippt und zu der Party zurückgekehrt.«
    »Sie kannten das Mädchen, das Sie angefahren haben?«
    Erinnerungen stürmen auf mich ein. »Ja, Sir. Maggie Armstrong … meine Nachbarin.« Ich füge nicht hinzu, dass sie die beste Freundin meiner Zwillingsschwester war.
    »Und Sie sind nicht aus dem Wagen gestiegen, um zu sehen, ob Ihre Nachbarin verletzt war?«
    Ich verlagere das Gewicht auf meinem Stuhl. »Ich schätze, ich konnte nicht mehr klar denken.«
    »Sie schätzen?«, fragt ein weiteres Ausschussmitglied.
    »Ich schwöre, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich es tun. Ich würde alles anders machen.«
    Sie befragen mich eine weitere halbe Stunde und ich spucke Antworten aus. Warum ich getrunken habe, obwohl ich noch nicht volljährig war, warum ich betrunken in ein Auto gestiegen bin, warum ich die Unfallstelle verlassen habe. Die Tatsache, dass ich nie weiß, ob ich die richtigen oder die falschen Antworten gebe, lässt mich zu einem nervösen Wrack werden. Also bin ich einfach ich selbst … der siebzehnjährige Caleb Becker. Falls sie mir glauben, habe ich eine Chance, früher entlassen zu werden. Falls sie es nicht tun … nun, dann werde ich weitere sechs Monate miesen Fraß runterwürgen und mir die Hütte mit verurteilten Straftätern teilen.
    Massiger Kerl sieht mich direkt an. »Woher wissen wir, dass Sie sich nicht wieder bis zur Besinnungslosigkeit betrinken?«
    Ich richte mich kerzengrade auf und schenke sämtlichen Ausschussmitgliedern meine ungeteilte
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