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Die schwimmende Stadt

Die schwimmende Stadt

Titel: Die schwimmende Stadt
Autoren: Hubert Haensel
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als schlecht hinausblicken konnte.
    »Es ist Galee«, flüsterte er nach einer Weile. »Ihre Weiber durchsuchen die leerstehenden Häuser.«
    »Werden sie uns hier finden?«
    »Ich glaube nicht. Niemand kann erkennen, daß unter dem Hügel die Reste eines Gebäudes liegen. Für gewöhnlich begräbt der wuchernde Schwamm alles unter sich und füllt sämtliche Räume aus.«
    Die Stimmen kamen näher. Mythor hatte das Gefühl, daß er nur den Arm auszustrecken brauchte, um Galee zu ergreifen.
    »Findet sie!« hörte er. »Irgendwo in der Nähe müssen sie untergeschlüpft sein.«
    »Hier ist nichts.«
    »Sie können sich weder in Luft aufgelöst haben, noch sind sie davongflogen. Also. Oder habt ihr Spuren gesehen, die aus der Senke hinausführen?«
    »Und wenn der Fremde ein Zauberer ist?«
    »Ein aufrührerischer Sklave, der ein Schwert führt, das ihm nicht zusteht«, donnerte Galee. »Schafft ihn herbei – egal wie.«
    Eine Reihe greller Funken huschte über das Gespinst zu Mythors Rechten. Unwillkürlich zuckte er zusammen, als gleichzeitig ein feines Knistern ertönte.
    »Es wird sich auflösen«, vermutete Jerka. »Mit deinem Geschrei hättest du einen rascheren Verfall hervorrufen können.«
    Alton in der Rechten, wartete der Sohn des Kometen darauf, daß irgend etwas geschah. Schnell fühlte er eine bleierne Müdigkeit in sich aufsteigen. War es die Anstrengung der letzten Stunden, die ihn schwächte? Schwer wurden seine Lider; nur noch mühsam konnte er sie offenhalten.
    Mythor fühlte Jerkas Blick auf sich ruhen. Eisige Kälte und die Hitze eines lodernden Feuers schlichen sich abwechselnd in seine Glieder und ließen ihn schaudern. Er bemerkte, daß der Sklave etwas sagte, verstand jedoch nichts vom Sinn der Worte.
    Ein Gesicht schälte sich aus den beginnenden Finsternis hervor.
    Ein Antlitz von so berauschender Schönheit, wie er es kein zweites Mal geschaut hatte. Für immer trug er dieses Bildnis im Herzen.
    Fronja!
    Sie winkte und schien ihm etwas zuzurufen. Der Wind riß ihr die Worte von den Lippen, bauschte ihre weiten Kleider und zerrte an ihren Haaren.
    Die Tochter des Kometen entfernte sich, wurde kleiner und schien schließlich in endloser Ferne zu verschwinden. Ein heftiger Sturm wirbelte Staub und Blätter auf und verschleierte die Sicht.
    Mythor folgte ihr. Mit jedem seiner Schritte überwand er Berge und Täler, ließ sogar Meere hinter sich zurück. Frei und schwerelos fühlte er sich, schwebte dahin zwischen den Wolken, die ihm ihren kühlen Atem ins Gesicht bliesen.
    Nur ein Gedanke beseelte ihn: Fronja zu finden!
    Dort, wo die Winde sich vereinten, wartete sie. Ihre Augen baten fast flehentlich, fernzubleiben, aber die Arme hatte sie hilfesuchend ausgebreitet.
    Sie fiel, stürzte in einen nicht enden wollenden Abgrund, der sie gierig zu verschlingen trachtete.
    Diesmal blieb Mythor in ihrer Nähe. Aber er prallte gegen eine unsichtbare Wand, die zwischen ihm und Fronja bis zu den Sternen aufragte. Irgendwo dort oben zogen glühende Kometen ihre Bahn durch eine dräuende Schwärze.
    Obwohl die Mauer sich wie dünnes Glas anfühlte, splitterte sie nicht, als Mythor mit den Fäusten auf sie einschlug…
    Der Krieger der Lichtwelt erwachte wie aus einem bösen Traum, als jemand ihn an den Schultern rüttelte. Es bedurfte einiger tiefer Atemzüge, um ihn erkennen zu lassen, daß Jerka dieser Jemand war.
    Der Sklave schwankte wie nach dem überreichlichen Genuß unausgegorenen Beerenweins. Mit schwerer Zunge und kaum verständlich, forderte er Mythor auf, ihm zu folgen.
    Der Himmel hatte sich mittlerweile auf erschreckende Weise verändert. Er glitzerte in allen Farben des Regenbogens. Seltsam verzerrt war der Anblick. Ähnlich wirkte die Waffe, wenn man wenige Fingerbreit unter einer bewegten Wasseroberfläche schwamm und nach oben blickte. Mythor sah Bäume, deren Stämme verdreht schienen.
    »Wo… sind wir?« Der Klang der eigenen Stimme erschreckte ihn. Er begann zu begreifen, daß nicht Jerka torkelte, sondern er selbst.
    Plötzlich überschlug sich alles in einem rasenden Wirbel. Bevor Mythor die Arme ausbreiten konnte, um den Sturz abzufangen, schlug bereits ein Schwall eisigen Wassers über ihm zusammen. Wahnsinnige Schmerzen raubten ihm für wenige Augenblicke die Besinnung.
    Dann klärten sich seine Gedanken.
    War es das Böse gewesen, das ihn in seinem Bann gefangen hielt?
    Mythor spürte Grund unter seinen Füßen und stieß sich kräftig ab. Nach Luft schnappend, kam er hoch.
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