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Die schwimmende Stadt

Die schwimmende Stadt

Titel: Die schwimmende Stadt
Autoren: Hubert Haensel
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Jerka stand in unmittelbarer Nähe am Ufer des kleinen Sees und blickte sinnend zu ihm herab.
    »Die Kälte wirkt belebend«, rief der Sklave. »Warum hast du nicht auf mich gehört und deine Sinne vor den Lichtern verschlossen? Ich kenne Männer, die für immer dem Wahnsinn verfielen.«
    Vereinzelt huschten letzte Lichtblitze über das Firmament. Es gab sie nicht wirklich, das wußte Mythor nun.
    Er erschrak über den Stand der Sonne. Sie war ein gutes Viertel ihres Weges weitergewandert und befand sich im späten Nachmittag. Stunden mußten vergangen sein, an die ihm jede Erinnerung fehlte.
    Mit den hohlen Händen schöpfte er das Wasser, das klar war und frisch, und kühlte damit sein brennendes Gesicht. Es schmeckte nicht ein bißchen salzig.
    »Es ist genießbar«, sagte Jerka. »An vielen Stellen der Stadt sprudeln Quellen. Meerwasser wird vom Schwamm aufgesaugt und gereinigt.«
    Als Mythor sich dann mit einem schnellen Satz ans Ufer schwang und auf ihn zukam, wich Jerka ängstlich zurück.
    »Glaube mir«, beteuerte er mit zitternder Stimme, »ich konnte nicht anders, als dich in den Teich zu stoßen. Immerhin dauerte es verdammt lange, bis Galee und ihre Weiber abzogen, und während der ganzen Zeit warst du dem verderblichen Einfluß der Gespinste ausgesetzt.«
    »Ist schon gut«, murmelte der Sohn des Kometen. »Nun bringe mich endlich zu Scida.«
    Obwohl am fernen Horizont schon die Dämmerung heraufzog, wurde es kaum merklich kühler. Mythors nasse Kleider trockneten schnell.
    Der Gesang von Vögeln lag in der Luft und das leise Geräusch ihrer Flügelschläge. Der Weg führte durch einen Wald, der erfüllt war von den Stimmen unzähliger Tiere. Fremdartige Düfte betörten die Sinne und luden ein, hier zu rasten.
    Ausgerechnet jetzt fiel Mythor Gerreks entsetzter Ausruf wieder ein:
    Gondaha – die Verdammte!
    Dabei konnte die Schwimmende Stadt durchaus ein Paradies sein, nach allem, was er bisher zu Gesicht bekommen hatte. Es kam nur darauf an, was die Frauen aus ihr machten. Leicht ließ sich Gondaha in eine Oase der Ruhe verwandeln, inmitten einer von Auseinandersetzungen und Kriegen zerrissenen Welt.
    An den Wald schloß abermals eine kleine Siedlung an. Manche der Häuser erweckten den Eindruck, daß sie vor nicht allzu langer Zeit errichtet worden waren, denn der Schwamm hatte sie noch nicht überwuchert. Planken, die vielleicht von gestrandeten Schiffen stammten, und verschiedene Tierhäute, die ebenfalls als Baumaterial Verwendung gefunden hatten, lagen frei.
    Auch hier zeigte sich niemand.
    »Wozu die Bauten, wenn keiner sie bewohnt?« wollte Mythor wissen.
    »Früher hatte Gondaha weit mehr Bewohner«, sagte Jerka, schwieg sich jedoch über die Gründe aus, weshalb diese die Stadt verlassen hatten.
    Er weiß es selbst nicht, mußte Mythor schließlich erkennen.
    Sie kamen einer steil abfallenden Küste nahe. Das stete Rauschen des Meeres drang zu ihnen herauf. Tief unten sah der Sohn des Kometen schäumende Wogen sich vereinen. Er schloß daraus, daß man das Heck der Schwimmenden Stadt erreicht hatte.
    Vor ihnen erstreckte sich eine langgezogene Anhöhe ohne jeden Bewuchs. Der Schwamm dort sah aus wie abgestorben und bildete skurrile Formationen.
    Jerka führte Mythor zu einer von außen kaum erkennbaren Höhle, die schon nach wenigen Schritten in eine geräumige Grotte mündete. Flackernder Fackelschein verbreitete ein warmes Licht und zeichnete verschwommene Schatten auf die von Öffnungen durchsetzten Wände.
    Vom Boden aufragende mannshohe Wucherungen schienen zu leben. Doch war es nur Illusion, die ihnen Bewegung verlieh.
    Aufmerksam sah Mythor sich um. Trotzdem bemerkte er die Frau nicht, die aus einer kleineren Seitenhöhle kam und lautlos von hinten an ihn herantrat.
    »Ich habe lange auf euch warten müssen.«
    Mythor wirbelte herum. Seine Rechte zuckte instinktiv zum Schwertknauf, zog Alton aber nicht aus der Scheide.
    Die Frau war alt und sicherlich keine ernstzunehmende Gegnerin mehr, obwohl sie ihrer Erscheinung nach durchaus eine Amazone sein konnte. Sie maß fast sieben Fuß, war grobknochig und sehnig, aber in den Schultern nicht übermäßig breit. Das Haar, das sie straff an den Kopf gekämmt und zu einem Knoten verschlungen trug, wurde von silbernen Fäden durchzogen, die ihr die erhabene Würde eines hohen Alters verliehen. Dabei mochte sie erst um die Siebzig sein.
    Ihr Gesicht war hohlwangig, aber die glatte, faltenlose Haut täuschte darüber hinweg. Wenn sie wirklich als
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