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Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)

Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)

Titel: Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
Autoren: Philipp Mattheis
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    Prolog
    Im November vor einigen Jahren flog ich auf die Kanarischen Inseln, um auf einem Segelschiff anzuheuern. Ich hatte unter Strapazen die drei großen Must-Dos einer männlichen deutschen Mittelstandsjugend hinter mich gebracht: Führerschein, Abitur, Zivildienst. Ich war frei. Ich war auch jung, naiv und manchmal richtig doof. Ich flog also auf die Kanarischen Inseln, weil mir irgendjemand erzählt hatte, dass von dort aus jedes Jahr im Herbst Segelschiffe in Richtung Karibik in See stechen.
    Ich lief durch den Hafen von Las Palmas und fragte die Segler: «Nehmt ihr mich mit?»
    Die Segler fragten: «Hast du Segelerfahrung?»
    Ich verneinte.
    Die Segler fragten weiter: «Bist du überhaupt schon einmal gesegelt?»
    Ich schüttelte den Kopf.
    Die Segler fragten: «Du willst drei Wochen über den Atlantik?»
    Ich nickte.
    Dann lachten sie und gaben mir den Rat, doch erst einmal zwei Stunden auf dem Starnberger See zu segeln.
    Ich aber gab nicht auf. Wie gesagt, ich war jung, naiv, gutgläubig und doof – und solchen Menschen passieren oft eigenartige Dinge. Am fünften Tag traf ich in Puerto de Mogan auf ein französisches Ehepaar. Der Franzose, ein dickbäuchiger und stark behaarter Mann, herrschte mich an, Französisch – «auf keinen Fall Englisch!» – mit ihm zu sprechen. Mit den kläglichen Resten aus drei Jahren Schulfranzösisch, die von einer Vier minus gekrönt worden waren, schilderte ich ihm mein Anliegen. Am Ende willigte er ein, mich mitzunehmen. Wir kauften Proviant für drei Wochen und fuhren los.
    Ich sollte die Nachtwache übernehmen. Meine einzige Aufgabe war es, zwischen zwei und sechs Uhr nachts, während die anderen schliefen, darauf zu achten, dass unser etwa zehn Meter langes Boot nicht versehentlich auf einen Tanker zusteuerte. Das geschah zum Glück nicht. Stattdessen saß ich Nacht für Nacht allein an Deck und übergab mich.
    Der Franzose wachte spät auf, hörte dann Édith Piaf und trank Pernod. Er befahl mir, mehr Französisch zu sprechen. Ich konnte nicht, ich musste kotzen. Er wollte, dass ich meine Kajüte aufräume. Ich konnte nicht, mir war schwindlig. Er verlangte von mir, das Essen seiner Frau zu essen. Ich konnte nicht, ich hatte Sodbrennen. Der Franzose und ich verstanden uns immer schlechter. Er erzählte mir von seinem Sohn, der in meinem Alter war und zu dem er keinen Kontakt mehr hatte, weil er ein Faulpelz war. Ich begann, tiefe Sympathie für den Sohn zu empfinden. Ich war übermüdet, mir war schlecht, ich hatte Hunger, ich wollte weg. Ich hasste den Franzosen.
    Nach einer Woche machte das Boot einen Zwischenstopp auf den Kapverdischen Inseln, von denen ich noch nie gehört hatte. Sie liegen zwischen dem Senegal und Brasilien mitten im Atlantik. Die meisten Leute kennen sie nicht, und noch weniger Menschen verschlägt es dorthin. Ich stieg aus, küsste den Boden und verstand nun, was all die Leute meinten, die mich gefragt hatten, ob ich denn Segelerfahrung hätte. Ich beschloss, nicht noch zwei weitere Wochen über den Atlantik zu segeln. Ich beschloss, auf eigene Faust weiterzureisen. (Ich beschloss außerdem, nie wieder ein Segelschiff zu besteigen.)
    Auf den Kapverden war es ganz okay. In meinem Hotel lernte ich einen Portugiesen kennen, dem es nach zwei Tagen zu langweilig wurde und der mit dem Schiff nach Senegal fuhr. Dann war da noch ein 40-jähriger Belgier, der sich sehr für die weiblichen Bewohner der Inselgruppe zu begeistern wusste. Sonst war dort niemand, und erst recht niemand mit einem Rucksack. Ich fragte mich: Sollte diese Reise so weitergehen? Würde ich tatsächlich die nächsten zwölf Monate, abgesehen von pädophilen Belgiern und depressiven Portugiesen, allein verbringen? Gab es keine anderen Menschen, die irgendwie dasselbe suchten wie ich, also eine Mischung aus Spaß, Sex, Strand und Selbstfindung?
    Ich flog nach New York, nicht weil ich dorthin wollte, sondern weil es auf den Kapverden nur Flüge nach New York oder Lissabon gab. Es war nun bereits Anfang Dezember, also kalt, grau und stressig. Das wärmste Kleidungsstück in meinem Rucksack aber war eine Windjacke. Ich setzte mich in einen Bus und fuhr 36 Stunden Richtung Süden, nach New Orleans. Das klingt glamourös, war es aber nicht. Ich schlief auf einem wackeligen Stockbett in einer Jugendherberge, trank Free-refill-Cola und ließ mich von Einheimischen dunkler Hautfarbe grimmig anstarren. Ich verbrachte einige Tage mit einem Japaner, der etwa 15
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