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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin
Autoren: Christopher W. Gortner
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    1454
    Niemand glaubte, dass ich für Großes bestimmt war.
    Geboren in dem kastilischen Ort Madrigal de las Altas Torres als erstes Kind der zweiten Ehe meines Vaters,Juan II., mit Isabella von Portugal, deren Namen ich erhielt, war ich eine gesunde und ungewöhnlich ruhige Infantin. Um meine Ankunft wurde nicht viel Aufhebens gemacht. Sie wurde zwar mit Glockenläuten verkündet, doch es gab nur flüchtige Gratulationen und keine Fanfaren. Mit seiner ersten Frau hatte mein Vater bereits einen Thronfolger gezeugt, meinen Halbbruder Enrique. Und als meine Mutter zwei Jahre nach mir meinen Bruder Alfonso gebar und so die Erbfolge des Hauses Trastámara zusätzlich sicherte, wurde allseits angenommen, dass mir Kloster und Spinnrocken beschieden sein würden, bis man mich zu Kastiliens Vorteil verheiraten konnte.
    Doch wie es so oft geschieht, hatte Gott anderes mit mir vor.
    Die Stunde, als alles sich änderte, habe ich nie vergessen.
    Ich war noch nicht ganz vier Jahre alt. Schon seit Wochen litt mein Vater an einem schrecklichen Fieber und lag die ganze Zeit hinter geschlossenen Türen in seinen Gemächern im Alkazar, dem Palast von Valladolid. Ich kannte ihn kaum, diesen neunundvierzigjährigen König, dem seine Untertanen wegen seiner Art zu herrschen den Spitznamen El Inútil , der Nutzlose, gegeben hatten. Bis zum heutigen Tag kann ich mich an nicht mehr erinnern als an einen hageren Mann mit traurigen Augen und einem wässrigen Lächeln, der mich einmal zu sich in seine Privatgemächer befahl und mir einen nach maurischer Art emaillierten und mit Juwelen besetzten Kamm schenkte. Während ich bei ihm war, stand die ganze Zeit ein kleiner, dunkelhäutiger Fürst hinter dem Thron meines Vaters, die Wurstfinger besitzergreifend auf die Rückenlehne gelegt und die durchdringenden Augen unablässig auf mich gerichtet.
    Wenige Monate nach dieser Begegnung hörte ich die Hofdamen meiner Mutter einander zuflüstern, der kleine Fürst sei geköpft worden und sein Tod hätte meinen Vater in untröstliche Trauer gestürzt.
    »Lo mató esa loba portuguesa« , sagten die Frauen. »Das war diese portugiesische Wölfin. Sie hat den Konnetabel Luna umbringen lassen, weil er der Liebling des Königs war.« Plötzlich zischte eine von ihnen: »Pst! Das Kind hört zu!« Ihre Köpfe flogen herum, und als sie mich mit weit aufgerissenen Augen auf dem Stuhl im Alkoven nebenan bemerkten, erstarrten sie alle mitten in ihren Bewegungen.
    Nur wenige Tage nachdem ich die Hofdamen belauscht hatte, wurde ich eines Nachts aus dem Schlaf gerissen, hastig in einen Umhang gehüllt und durch die Korridore des Alkazar zu den königlichen Gemächern gescheucht. Diesmal führte man mich in eine stickige Kammer, wo Kohlebecken glühten und aus einer Weihrauchwolke der gedämpfte Psalmengesang kniender Mönche an meine Ohren drang. Über mir baumelten an vergoldeten Ketten Kupferlampen, deren öliges Glühen über die versteinerten Mienen der in düsterer Tracht versammelten Granden flackerte.
    Die Vorhänge des großen Betts vor mir waren geöffnet worden.
    Auf der Schwelle zögerte ich. Instinktiv blickte ich mich nach dem kleinen Fürsten um, obwohl ich längst wusste, dass er tot war. Dann erspähte ich den Lieblingsfalken meines Vaters. An seine silberne Stange gekettet, hockte er im Alkoven. Seine geweiteten Pupillen, von den Flammen beleuchtet, doch unergründlich, richteten sich auf mich.
    Wie angewurzelt stand ich da. Mich beschlich eine Vorahnung von etwas Schrecklichem, das ich nicht sehen wollte.
    »Geh, mein Kind«, drängte mich meine aya , Doña Clara. »Seine Majestät, dein Vater, verlangt nach dir.«
    Ich weigerte mich zu gehorchen. Stattdessen klammerte ich mich an ihre Röcke und verbarg das Gesicht in deren staubigen Falten.
    Doch dann näherten sich von hinten schwere Schritte, und eine tiefe Stimme dröhnte: »Ist das nicht unsere kleine Infanta Isabella? Komm, lass dich anschauen, Kind.«
    Etwas an dieser Stimme bannte mich, ließ mich aufblicken.
    Ein Mann türmte sich vor mir auf, groß und mit tonnenförmiger Brust, bekleidet mit dem dunklen Gewand eines Granden. Sein ziegenbärtiges Gesicht war feist, seine hellbraunen Augen blickten durchdringend. Ansehnlich war er nicht; vielmehr erinnerte er an einen verwöhnten Palastkater, doch sein leicht schiefer, rosiger Mund verzauberte mich, denn er schien allein für mich zu lächeln und eine nur mir geltende Aufmerksamkeit auszudrücken, die mir das Gefühl vermittelte,
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