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Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Titel: Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
Autoren: Lynn Flewelling
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Zunge gegen die Zähne, als sie eine zierliche Silberklinge hervorholte und ein paar der Stiche an der Seite der Puppe damit löste. »Nie Bindung gemacht für so lange Zeit. Vielleicht nicht gedacht, so lange zu halten. Haut stark, aber Knochen stärker. Wir diesmal nehmen Knochen.«
    »Welche Knochen?«
    Lhel zog eine Handvoll vergilbter Wolle und bröckliger, getrockneter Kräuter aus dem Leib der Puppe, dann tastete sie darin herum, bis sie fand, wonach sie suchte. Sie streckte die Hand aus und zeigte Tobin drei elfenbeinfarbene Teile: einen winzigen, gekrümmten Splitter einer Rippe, ein Stück eines Schädelknochens, dünn wie eine Eierschale, und einen ganzen Knochen, klein und zierlich wie das Flügelglied einer Schwalbe. »Bruders Knochen«, sagte sie.
    Tobins Augen weiteten sich. »Seine Knochen sind in der Puppe?«
    »Meiste. Paar kleine Stücke noch in Erde neben Mamas Haus in der Stadt. Unter großem Baum dort, nahe Kochstelle.«
    Tobin griff nach der Kette um ihren Hals und zeigte Lhel den Ring. »Ich habe das hier in einem Loch unter einem abgestorbenen Baum neben der alten Sommerküche gefunden. Tharin sagt, es hat meiner Mutter gehört. Wurde er dort vergraben?«
    Lhel nickte. »Ich gerufen, um Knochen aus Erde und Fleisch zu holen. Deine Mama …« Mit wie Krallen gekrümmten Fingern deutete sie Graben im Boden an. »Sie hat gemacht sie sauber und in Puppe genäht, damit sie kann sorgen für Geist.«
    Angewidert starrte Tobin die Puppe an. »Aber warum?«
    »Bruder wütend, weil er tot und doch mit Haut an dich gebunden. Sein Geist wären Dämon schlimmer, als du kennst, wenn ich deine Mama nicht gezeigt zu machen Hekkamari . Wir seine kleine Knochen genommen und in Puppe getan.
    Ich sie habe daran gebunden wie jetzt dich. Du dich erinnerst?«
    »Mit den Haaren und dem Blut.«
    Abermals nickte Lhel. »Sie auch sein Blut. Seine Mama. Wenn sie gestorben, an dich ist übergegangen. Du die Worte kennst. ›Blut, mein Blut; Fleisch, mein Fleisch; Knochen, mein Knochen.‹ Das sein wahr.«
    Lhel brach einen winzigen Splitter von dem Teil des Rippenknochens ab und hielt ihn hoch. »Ich das gebe in dich, binde dich wieder, dass du hast Bruders Gesicht, bis du das herausschneidest und bist Mädchen. Aber du jetzt weißt, dass du innen Mädchen, Keesa .«
    Tobin nickte elend. »Ja, jetzt weiß ich es. Bitte lass mich nur wieder wie früher aussehen, ja?«
    Lhel drückte Tobin zurück auf die Pritsche und legte die Puppe neben sie. Dann begann sie, leise bei sich zu singen. Schlagartig wurde Tobin sehr müde, obwohl ihre Augen offen blieben. Bruder kam in die Eiche und bettete sich an die Stelle, an der sich die Puppe befand. Sein Körper fühlte sich so fest und warm wie jener Kis an. Tobin schaute zu ihm hinüber und lächelte, er aber starrte kerzengerade empor, die Züge starr wie eine Maske.
    Lhel ließ das raue Kleid von ihren Schultern fallen. Durch das Licht des Feuers schienen die Tätowierungen an ihren Händen, ihren Brüsten und ihrem Bauch über die Haut zu kriechen, während sie mit der Silberklinge und einer Nadel mondweiße Muster in die Luft wob. Ein Geflecht aus Licht hing über Tobin und Bruder, als sie fertig damit war.
    Tobin spürte die Berührung kalten Metalls zwischen den Schenkeln, dann einen scharfen Nadelstich unter den Hoden. Lhel malte etwas Rotes in die Luft, wodurch die Muster aussahen wie …
    – Blut auf Flusseis …
    Tobin wollte den Blick abwenden, doch sie konnte sich nicht bewegen.
    Unter einem leisen Sprechgesang führte Lhel den winzigen Knochensplitter auf der Spitze des Messers und schwenkte ihn durch die Flammen neben sich, bis er bläulich weiß schimmerte. Bruder stieg in die Luft empor und drehte sich herum, sodass er Nase an Nase über Tobin schwebte. Lhel griff durch seinen leuchtenden Körper und stieß den heißen Knochensplitter in die nässende Wunde an Tobins Brust.
    Die Flamme des lodernden Knochens schoss unter der Haut hervor und umfing Tobin mit Hitze. Sie versuchte, vor Schmerz und Angst aufzuschreien und war überzeugt davon, das Fleisch würde ihr von den Knochen gesengt, doch Lhels Stimme bannte sie nach wie vor. Weißes Licht blendete sie kurz, dann hoben die Qualen sie von der Pritsche; zusammen mit Bruder trieb sie durch das Rauchloch der Eiche, dann noch höher über die Bäume. Wie ein Falke konnte sie meilenweit alles erkennen. Sie sah Tharin und seine Männer, die im Galopp aus Alestun herbeieilten. Sie sah Nari und Köchin, die auf dem
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