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Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Titel: Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
Autoren: Lynn Flewelling
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Gedanke, in den Beutel zu blicken.
    Etwa um dieselbe Stunde klopfte ein äußerst besorgter Molay an Tharins Tür.

K APITEL 48
     
    Der Halbmond geleitete Tobin nach Hause. In seinem Licht ließ er das Meer hinter sich zurück und folgten den Flüssen und Straßen, die westwärts in die Berge führten. Vielleicht erinnerte sich auch Gosi an den Weg, denn sie bogen die ganze Nacht hindurch kein einziges Mal falsch ab.
    Angst und die seltsamen Schmerzen, die anschwollen und sich veränderten, während der Mond ihn weiterzog, hielten ihn wach. Manchmal verschwanden die Qualen auch völlig, dann trieb er sein Pferd für einige Meilen in vollen Galopp. Wenn sie wieder einsetzten, wanderte Gosi gemächlich am grasbewachsenen Straßenrand entlang, während zwischen Tobins Hüftknochen ein Becken aus pochendem, roten Feuer schwappte. Mit halb geschlossenen Augen dachte er an Niryn und seine Handvoll Flammen in der königlichen Gruft.
    Während sich die Nacht hinzog, stiegen die Schmerzen oft in ihm auf, gruben sich unter sein Brustbein und breiteten sich durch seine Haut aus, wodurch sich sein Fleisch auf den Knochen abwechselnd heiß und kalt anfühlte. Das Blut in seiner Hose war getrocknet, aber gegen Mitternacht, begann seine Brust zwischen den Nippeln zu jucken. Als seine Finger hinfassten, um sich zu kratzen, lösten sie sich dunkel und nass davon.
    Die Pest, die Pest, die Pest. Die Worte hallten im Einklang mit dem Pochen seines Herzens durch seinen Geist.
    Seuchenbringer.
    Lhel musste ein Heilmittel kennen. Deshalb musste sie ihm die Vision gesandt haben, in der sie ihm gesagt hatte, er solle zu ihr kommen. Vielleicht wussten Hügelhexen von einer Heilung, die den Drysiern und königlichen Heilern Skalas unbekannt war.
    Jeder kannte die Geschichten. In den Hafenstädten nagelten die Totenvögel Seuchenbringer in ihren Häusern ein, zusammen mit allen anderen, die das Pech hatten, bei ihnen zu sein, wenn das erste Opfer entdeckt wurde. Falls jemand die Krankheit überlebte, konnte er seine Gesundheit beweisen, indem er sich befreite.
    Er war ein Seuchenbringer.
    Lhel hatte es vorhergesehen.
    Würde man den Alten Palast zunageln?
    In der Dunkelheit beschwor seine Vorstellungskraft das Bild einer Heerschar von Totenvögeln herauf, die sich mit Hämmern und Beuteln voller Nägel über den Schultern auf den alten Palast stürzten – wie die Handwerker, die in der Feste gearbeitet hatten.
    Würde man ihm folgen und auch die Feste vernageln?
    Man konnte ihn in den Turm sperren. Er würde ihre Maske tragen und ein Vogel sein wie jene, die seiner Mutter einzige Gefährten gewesen waren …
    Die ganze lange Nacht hindurch hetzten sich seine Gedanken in einem endlosen Kreis. Er war beinah überrascht, als er die schartigen Gipfel der Berge erblickte, die sich so nah vor ihm gegen den sternengesprenkelten Himmel abzeichneten.
     
    Der erste Schimmer des Sonnenaufgangs wärmte hinter seinem Rücken den Himmel, als er durch das schlafende Alestun ritt. Gosi stolperte und keuchte unter ihm. Tobin selbst war von Erschöpfung in einen tauben, traumartigen Zustand übergegangen, und er fragte sich allmählich, ob er plötzlich die Augen aufschlagen und sich doch noch in Ero befinden würde, von den Totenvögeln in seinem Zimmer eingenagelt. Oder vielleicht folgte er in Wahrheit dem Pfad aus seinen Visionen zu jener unterirdischen Kammer, über die das Reh wachte.
    Er ließ die Ortschaft hinter sich und ritt die vertraute Straße zwischen herbstfarbigen Bäumen hindurch entlang. Als sein Vater ihn vor einem halben Leben zum ersten Mal mit nach Alestun genommen hatte, hatte der Wald sehr ähnlich ausgesehen.
    Tobin war froh, wieder hier zu sein, auch wenn es sich als das letzte Mal für ihn erweisen sollte. Er wollte lieber hier als in der Stadt sterben. Hoffentlich würde man seinen Körper irgendwo im Wald zur Ruhe betten. Er wollte nicht in einer jener Steinablagen unter den steinernen Königinnen enden. Tobin gehörte hierher.
    Er hatte eben den ersten Blick auf das Turmdach über den Wipfeln erhascht, als Lhel aus den Bäumen vor ihm trat. Tränen der Erleichterung brannten Tobin in den Augen.
    » Keesa , du kommen«, sagte sie und kam ihm auf der Straße entgegen.
    »Ich habe das Blut gesehen, Lhel.« Seine Stimme hörte sich so matt wie jene Bruders an. »Ich bin krank. Ich habe die Pest.«
    Sie erfasste seinen Knöchel und blickte ihm mit zusammengekniffenen Augen ins Gesicht, dann tätschelte sie beruhigend seinen Fuß.
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