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Tagebuch eines Engels

Tagebuch eines Engels

Titel: Tagebuch eines Engels
Autoren: Carolyn Jess-Cooke
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und sah sie an. Seine Augen schmerzten vor Übermüdung. Im Geiste stolperte er von einer verwunderten Erwiderung zur nächsten. Bis er bei dem schlichten Wort »Warum?« ankam.
    Sie seufzte. »Ich muss weitermachen, Toby. Ich komme auch bald wieder. Aber ich muss … Hier hält mich ja nichts.«
    Er nickte.
    Sie lächelte schwach und wandte sich ab, um zu gehen.
    Â»Willst du die Papiere denn nicht unterschreiben?«
    Sie blieb stehen. »Das hatte ich ganz vergessen. Mache ich jetzt.«
    Sie ging zum Tisch und setzte sich. Toby holte die Papiere aus einer Schublade in der Küche und legte sie vor sie hin.
    Â»Hast du einen Stift?«
    Er reichte ihr einen. »Danke.«
    Sie starrte auf das Papier.
    Im Zeitlupentempo legte Toby seine Hand auf ihre. Sie sah zu ihm auf. »Toby?«
    Er ließ sie nicht los. Stattdessen zog er sie sanft vom Stuhl hoch und schlang ihr den Arm um die Taille. Sie sah ihm in die Augen. Es war sehr, sehr lange her, seit sie sich zuletzt so nahe gewesen waren. Und dann neigte er sich ihr zu und küsste sie.
    Sie schob ihn von sich. Er neigte sich ihr wieder zu.
    Diesmal wehrte sie sich nicht.

– 27 –
    DER BLAUE EDELSTEIN
    Margot legte die Hände auf Tobys Brust.
    Â»Was machst du da, Toby?«
    Er sah sie eingehend an und lächelte. »Ich verabschiede mich.« Er trat zurück, nahm den Stift vom Tisch und reichte ihn ihr. »Du wolltest gerade unterschreiben.«
    Sie betrachtete den Stift. Dann sah sie zu Toby. Und sie sah nicht den Toby, der durch die Feuerprobe ihrer Ehe und die Verurteilung ihres Sohnes gegangen war. Sie sah den Toby, der vor zwanzig Jahren aus dem Hudson wieder aufgetaucht war. Den Toby, von dem sie geglaubt hatte, dass er ertrunken sei. Den Toby, den sie niemals verlieren wollte.
    Â»Ich muss nachdenken«, sagte sie, drehte sich um und ging.
    Â»Tu mir das nicht an, Margot«, rief er hinter ihr her. »Lass mich nicht so in der Luft hängen, während du dich auf die andere Seite der Weltkugel verziehst.«
    Im Flur drehte sie sich um. »Ich fliege morgen. Jetzt gehe ich zurück ins Hotel.«
    Â»Und das war’s?«, fragte Toby verärgert. »Du unterschreibst nicht einmal die Scheidungspapiere?«
    Einen Moment lang passierte gar nichts. Dann ging sie auf ihn zu, nahm ihm den Stift aus der Hand und kritzelte ihren Namen auf die dafür vorgesehene Linie.
    Wortlos reichte sie ihm die Papiere.

    Im Hotel nahm sie ein ausgedehntes Bad. Sie spielte den Kuss immer wieder im Geiste durch. Der Ablauf glich zunächst einem Horrorfilm, dann einer Komödie. Erst als sie sich noch tiefer ins Wasser gleiten ließ, spiegelte der kleine Film das wider, was wirklich passiert war. Und wie es sich angefühlt hatte. Wie ein Ankommen. Wie Zuhause. Wie Frieden.
    Das Telefon schrillte. Margot sprang aus der Wanne. Es war der Concierge – es sei jemand für sie da. Ein Mr. Toby Poslusny. Ob er hochkommen dürfe? Sie zögerte. Ja, versuchte ich klopfenden Herzens zu ihr durchzudringen.
    Â»Okay«, sagte sie.
    Ich kam mir vor, als betrachtete ich die aus einem Kinofilm herausgeschnittenen Szenen. Ich dachte an jene Zeit meines Lebens zurück, als ich während der vorgerichtlichen Verhandlungen alleine in einem Hotel wohnte und hin und wieder äußerst unerquickliche Treffen mit Toby über mich ergehen ließ, bei denen wir absprachen, wer Theo wann besuchte und wann der nächste Verhandlungstermin war. Jetzt war alles neu, und ich hatte keine Ahnung, was passieren würde.
    Und dann dachte ich an meinen Tod. An den ich mich immer nur sehr undeutlich erinnern konnte, weil er so plötzlich eingetreten war. Wenn Sie mir jetzt eine Knarre an die Schläfe gedrückt und mich gefragt hätten, wie es ist, zu sterben, wäre meine Antwort gewesen: Sie müssen schon abdrücken, damit ich Ihnen darauf antworten kann. Ich hatte keine Ahnung. Ich war schneller aus dieser Welt gerissen worden, als ein Taschendieb in Manhattan arbeitet. Gerade befand ich mich noch in einem Hotelzimmer, im nächsten Augenblick stand ich neben meiner eigenen Leiche, und den Bruchteil einer Sekunde später war ich bereits im Jenseits und begegnete Nan.
    Margot warf sich einen weißen Bademantel über und öffnete die Tür. Toby stand da und runzelte die Stirn, bis sie ihn hereinbat.
    Â»Warum bist du hier, Toby?«
    Â»Weil du was vergessen hast.«
    Â»Ach,
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