Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tagebuch eines Engels

Tagebuch eines Engels

Titel: Tagebuch eines Engels
Autoren: Carolyn Jess-Cooke
Vom Netzwerk:
treffen, die sowohl deinen sterblichen als auch deinen unsterblichen Weg beeinflussen würden. Auf der Grundlage dieser Entscheidungen wurde festgelegt, wohin deine spirituelle Reise führen würde. Alles, was du durchgemacht hast, hatte nur dieses Ziel.«
    Â»Aber was ist mit Grogor?«, fragte ich leise. »Und dem Handel, den ich mit ihm geschlossen habe? Ich dachte, ich würde in die Hölle kommen.«
    Â»Das hätte dir auch durchaus passieren können, wenn deine Motive egoistischer Natur gewesen wären. Aber du hast dich dafür entschieden, dein eigenes Glück zum Wohle deines Sohnes zu opfern. In dem Moment entschied Gott, dass du einer seiner besten Engel werden solltest. Aber erst musstest du noch lernen zu vertrauen.«
    Ich hielt ihre Hände, dann kippte ich genauso um wie damals, vor so vielen Jahren, und schnappte nach Luft. Dieses Mal allerdings vor lauter Erleichterung, nicht vor Entsetzen. Ich sah zur Straße zwischen den Hügeln.
    Â»Das heißt … die Straße da führt nicht in die Hölle?«
    Â»Ganz im Gegenteil.«
    Als ich mich wieder gesammelt hatte, sah ich ihr in die Augen, während mir die eine Frage in den Sinn kam, die mich all die Jahre verfolgt hatte, jene Frage, die alles, was ich erlebte, alles, was ich bereute, begleitet hatte.
    Â»Warum musste ich das alles durchmachen?«, fragte ich leise. »Warum war ich nicht einfach der Schutzengel einer netten alten Witwe oder eines Prominenten oder irgendeines x-beliebigen Menschen, der ein schönes, ruhiges Leben geführt hat … Warum war ich ausgerechnet Margots Engel? War das ein Fehler?«
    Â»Ganz und gar nicht«, antwortete Nan vorsichtig. »Du musstest dein eigener Schutzengel sein, weil du nur so deine spirituelle Reise vollenden konntest. Nur so konntest du zu dem werden, was du jetzt bist.« Sie lächelte. »Ein Schwert schmiedet man nicht im Wasser, Ruth. Ein Schwert schmiedet man im Feuer.«
    Ich sah zur Straße und betrachtete die Landschaft um mich herum. Ich dachte an Toby. Ob ich ihn wohl jemals wiedersehen würde?
    Nan drückte mich an den Schultern. Vertraue, sagte sie. Vertraue.
    Ich nickte.
    Â»Okay«, sagte ich. »Dann mal los.«
    Und sie führte mich direkt zur Straße, direkt hin zu ihrem Ende.
    Ein Schwert in der Hand Gottes.

EIN HIMMLISCHES SCHWERT
    Viele Jahre sind vergangen, seit ich mein Tagebuch ins Wasser entließ und es davontrieb, wohin auch immer. Ich hoffe, es war guter Lesestoff. Ich hoffe, es war zu etwas nütze.
    Seither habe ich ziemlich viel um die Ohren gehabt. Meine Einsätze hatten entschieden internationaleren Charakter als meine erste Runde als Engel. Ich habe Dutzende von Weltkriegen verhindert. Ich war einer der Seraphim, die in der saphirblauen, Gänsehaut verursachenden Tiefe der Antarktis gestanden und Schmelzwasser zurückgehalten haben, die es in Wolken verwandelt und hoch in die Stratosphäre geschickt haben, die gar den Meeresgrund an manchen Stellen aufbrachen, um Unmengen von Wasser in das rote Herz der Erde ablaufen zu lassen. Ich habe mich in das Auge von diversen Tornados begeben – ja, genau wie Dorothy in Der Zauberer von Oz – und sie an Häusern voller Kinder vorbeigeleitet, ich habe Rinder, die in ihr Vakuum gesogen wurden, festgehalten, bis der Sturm vorüber war, und sie dann behutsam wieder abgesetzt. Ich habe Tsunamis vor Küsten voller Hotels, Häuser und ahnungsloser Sandburgen bauender Kinder zurückgedrängt.
    Ab und zu wird mir gesagt, ich solle dies oder jenes geschehen lassen. Mal soll ich dabei zusehen, wie ein Tornado ein Haus zerstört oder ein Leben auslöscht. Mal soll ich ein Erdbeben zulassen und lediglich hinterher aufräumen. Mal soll ich einen Tsunami weiterrollen lassen. Ich habe keine Ahnung, warum.
    Aber ich lasse es geschehen.
    Und ich sehe Toby. Ich habe ihn dabei beobachtet, wie er in einer zerschlissenen Strickjacke und völlig ausgelatschten Schuhen in seiner Wohnung herumschlurft, wie er seine Brille gegen eine deutlich stärkere austauschte und seine Zähne mit immer neuen Keramikfüllungen bestücken ließ. Ich war bei ihm, als er bei Theos Hochzeit von mir sprach (wobei ich inständig hoffte, er möge die Sache mit den Drogen auslassen) und wie er unsere Zwillingsenkeltöchter in den Armen hielt und darauf bestand, dass eine von ihnen Margot heißen solle.
    Ich rede mit ihm. Ich erzähle ihm,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher