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Tagebuch eines Engels

Tagebuch eines Engels

Titel: Tagebuch eines Engels
Autoren: Carolyn Jess-Cooke
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selbst und verkroch sich noch mehr in ihre Jacke. Sie sah aus, als wolle sie einfach nur verschwinden.
    Adoni nahm Tygren bei den Händen und sagte etwas auf Quechua. Tygren lächelte und nickte.
    Plötzlich stand Valita auf und ging in die andere Richtung.
    Â»Ich muss los!«, sagte Tygren. »Wir sehen uns später, versprochen!«
    Â»Wie können wir dich finden?«, rief ich ihr hinterher.
    Doch da war sie bereits verschwunden.
    Von da an hielten Gaia, Adoni und ich ständig Ausschau nach Tygren, während Toby, Kit und Margot tagein, tagaus Hinweise verfolgten, die ins Leere führten.
    Weihnachten verstrich ohne jede Feierlichkeit. Dann überzeugten Margot und Toby Kit endlich – aber entgegen unserem Rat –, dem leitenden Ermittler des Falls den Namen Valita zu nennen. Wie Kit es vorausgesagt hatte, zeigte der Beamte keinerlei Interesse. Keine Beweise, keine Zeugenaussagen. In den vorgerichtlichen Verhandlungen wurde Theos anfänglicher Aussage hohe Bedeutung beigemessen, er wisse nicht, wem das Messer gehört habe, möglicherweise sei es seins gewesen. Das war ein gefundenes Fressen für die Anklage. Unter seinem Bett fand man ähnliche Messer. Die Ermittler schlossen die Anwesenheit einer weiblichen Person aus, als die Gerichtsmedizin berichtete, am Tatort sei nur Blut von zwei männlichen Personen gefunden worden. Dass es später in der Nacht geregnet hatte, war dabei nicht berücksichtigt worden. Theo reagierte sehr wütend auf die Anschuldigungen, mit denen man ihn während der Anhörungen konfrontierte, dafür sorgte Grogor. Umso weniger wirkte Theo wie ein unschuldiges Opfer, sondern kam wie ein aggressiver Schläger herüber.
    Gaia, Adoni und ich hielten weiter nach Tygren Ausschau. Nichts zu sehen. Wir gingen davon aus, dass Valita New York – oder gar die USA – verlassen hatte. Ich konnte es ihr nicht verübeln. Aber gleichzeitig verzehrte ich mich danach, Theo und James noch einmal zu sehen – und wenn es nur war, um ihnen zu sagen, dass ich sie liebte.
    Eines Nachts hielt ich es nicht mehr aus, und ich machte mich auf den Weg hinüber zu Rikers Island. Ich musste mich durch ein Meer von Dämonen kämpfen, bevor ich Theo in seiner winzigen, schmutzigen Zelle vorfand, in der er so klein und verloren wirkte. Ein paar Zellen weiter schrie ein Häftling ständig den Namen einer Frau und drohte ihr damit, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Ich sah, welche Verbrechen die Männer in diesem Block begangen hatten – sie erschienen als Parallelwelten in ihren Zellen wie spirituelle Abzeichen ihrer Sünden –, und ich sah ihre Dämonen, die alle genau wie Grogor aussahen, als ich ihm das erste Mal begegnete: monströs, bestialisch, einzig darauf aus, mich zu zerstören. Aber es waren auch Engel da. Die meisten waren Männer, manche aber auch sanftmütige, mütterliche Frauen. Sie wachten über Männer, deren Vergehen bei mir Brechreiz auslösten. Doch trotz der Brutalität ihrer Verbrechen liebten ihre Engel sie.
    Plötzlich fiel mir auf, dass ich keine Ahnung hatte, wer oder was James in seinem sterblichen Leben gewesen war, aber als ich ihn bei Theo fand, wusste ich eines ganz genau: Dieser Junge, den ich so vorschnell abgeurteilt hatte, als ich ihm das erste Mal begegnete, war zäh. Theo hatte vier Dämonen mit in seiner Zelle, die allesamt an tongaische Fußballspieler erinnerten und im Vergleich zum schmächtigen James Riesen waren. Aber sie kauerten in einer Ecke und wagten nicht mehr als hin und wieder eine spöttische Bemerkung. Es sah ganz so aus, als habe James die Oberhand.
    Â»Was machst du hier?«, fragte er, als ich auftauchte. Theos Dämonen sprangen sofort auf und fingen an, mich zu beschimpfen. Er warf ihnen einen Blick zu.
    Ich nahm ihn fest in den Arm und blickte zu Theo, der sich umsah. »Ist da jemand?«
    Verwundert sah ich James an. »Er kann mich spüren?«
    James nickte. »Höchstwahrscheinlich«, sagte er. »Ich will dir nichts vormachen, das hier ist bisher kein Zuckerschlecken für ihn gewesen. Aber ich glaube, ich habe ihm das Schlimmste erspart. Der Vorteil ist, dass er jetzt weiß, wie gut es ihm vorher eigentlich ging. Er dachte, er sei ein zäher Brocken – bis sie die Tür da abgeschlossen haben. Jetzt schreibt er eine Liste, was er alles machen möchte, wenn er wieder rauskommt.«
    Â»Er hat die Hoffnung also
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