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Tante Dimity und der skrupellose Erpresser

Tante Dimity und der skrupellose Erpresser

Titel: Tante Dimity und der skrupellose Erpresser
Autoren: Nancy Atherton
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1
    ES HÄTTE EIN ruhiger Nachmittag werden sollen. Bill und ich hatten den Vormittag damit verbracht, in rauen Mengen frische Luft zu tanken und gleichzeitig darauf zu achten, dass unsere dreijährigen Zwillinge im Cotswolds Farm Park in nicht allzu innigen Kontakt mit dem dort ansässigen lieben Vieh traten. Einfach war die Aufgabe nicht gewesen. Will und Rob hatten geradezu heroische Versuche unternommen, jedes einzelne der gesprenkelten Schafe im Park zu streicheln, zudem jede behaubte Henne und jedes gestreifte Schwein. Als sie schließlich auch noch Anstalten machten, sich durch das Gatter zu zwängen und den sanften, aber riesigen Shire-Pferden die Hufe zu schütteln, half nur noch schiere Gewalt.
    Mein Ehemann erholte sich von den Anstrengungen, indem er wie die Jungs ein Nachmittagsschläfchen hielt, ich hatte es vorgezogen, mich mit einer Tasse Tee vorm Kamin im Wohnzimmer niederzulassen. Seit die Zwillinge laufen konnten, waren Augenblicke der Ruhe für mich so selten geworden wie gesprenkelte Schafe, und ich beabsichtigte, die friedlichen Minuten so lange auszukosten, wie es ging.
    Es wurden genau sieben Minuten.
    Die Uhr auf dem Kaminsims schlug zur vollen Stunde, als ein donnerndes Pochen die Haustür erschütterte. Ich sprang auf, goss mir dabei hei ßen Tee über die Hand und schwor bereits, den Dummkopf zu erdrosseln, dessen gedankenloses Pochen den Schlaf meiner Männer zu stören drohte. Ich war wütend, und mir tat die Hand weh, als ich auf die Tür zustürmte, sie aufriss –
    und sprachlos stehen blieb.
    Meine Freundin und Nachbarin Emma Harris stand vor mir, aber es handelte sich nicht um die Emma, die ich kannte. Meine Emma neigte nicht zu stärkeren Gefühlsausbrüchen, aber die Emma, die auf meiner Türschwelle stand, hätte vor Zorn Stacheldraht kauen können.
    »Lori, lass mich rein, oder es gibt ein Blutbad .«
    Mein Blick fiel auf ihre geballten Fäuste, und da ich nicht in meinem eigenen Blut baden wollte, trat ich beiseite.
    Emma stürmte an mir vorbei ins Wohnzimmer. Ich konnte weder ihr Auto noch ein Pferd entdecken und schloss daraus, dass sie den Pfad, der sich auf einer Länge von einer Meile von ihrem Anwesen aus dem 14. Jahrhundert zu unserem Cottage wand, gelaufen sein musste. Emma genoss Spaziergänge auf dem Land, aber irgendetwas sagte mir, dass sie heute im Marschtempo zu mir geeilt war, anstatt zu schlendern.
    Ich schloss die Tür und ging auf leisen Sohlen zurück ins Wohnzimmer. Dort sank ich aufs Sofa und sah eingeschüchtert und schweigend zu, wie sie vor dem Kamin auf und ab ging. Sie schien zutiefst in äußerst unangenehme Gedanken versunken.
    Emma hatte im letzten Jahr fast zwanzig Kilo abgenommen und ihr hüftlanges graublondes Haar auf Schulterlänge stutzen lassen. Die Frau, die früher einem niedlichen Koala geähnelt hatte, erinnerte mich momentan eher an eine Löwin, die mit verhaltenem Zorn ihren Käfig durchmisst. Als sie abrupt vor mir stehen blieb, musste ich dem Drang widerstehen, mich vor ihren scharfen Klauen in Sicherheit zu bringen.
    »Wie«, fragte sie anklagend, »lautet der Name deines Mannes?«
    »Bill«, antwortete ich gehorsam und fügte vorsichtshalber hinzu: »Bill Willis. William Arthur Willis junior, um genau zu sein.«
    »Bist du sicher?«, fauchte sie. »Ich frage nur, weil ich bis heute Morgen glaubte, den Namen meines Ehemannes zu kennen.«

    Ich blinzelte. »Er heißt nicht Derek Harris?«
    »Ha!« Emma funkelte mich düster durch die Gläser ihrer Brille aus dünnem Draht an. »Der Ehemann, der früher unter dem Namen Derek Harris bekannt war, heißt eigentlich Anthony Evelyn Armstrong Seton, Viscount Hailesham.«
    Emma verlieh dem Adelstitel die entsprechende Upperclass-Aussprache, bei der man die Hälfte der Silben verschluckt. Entsprechend klang es eher wie ein Niesen: » Hellshm .«
    »Dein Ehemann ist also der Viscount von Hailesham«, sagte ich trocken. »Natürlich. Ich bin übrigens Maria von Rumänien.«
    Emmas graue Augen blitzten auf. »Jetzt ist nicht die Zeit für deine albernen Witze, Lori.«
    »Dann ist es vielleicht Zeit für ein Beruhigungsmittel, denn du redest wirres Zeug, Emma.« Ich erhob mich und erwiderte ihren zornigen Blick mit etwas Ähnlichem. »Jetzt setz dich hin, atme tief durch, und erzähle mir dann, warum der Mann, mit dem du seit zehn Jahren verheiratet bist, ein Mann, der dich über alle Maßen liebt, verehrt und respektiert, dich über seine wahre Identität im Unklaren gelassen haben
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