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Tag der Entscheidung

Tag der Entscheidung

Titel: Tag der Entscheidung
Autoren: Raymond E. Feist
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Gebirgsausläufer hindurch zurückdrängen zu lassen.
    Der Führer, ein kleiner Mann mit einer sanften Stimme und einer Haut, die so faltig war wie die Schale einer getrockneten Frucht, hielt vor ihr an. »Mylady, es wäre gut, wenn Ihr Euren Leuten befehlen würdet, sich nicht blicken zu lassen«, sagte er in seinem gestelzten Akzent.
    »Ich werde ihnen einen Grund nennen müssen«, antwortete Mara. »Sie sind ehrenvolle Krieger, und es würde ihnen wenig gefallen, wenn sie wie Diebe umherschleichen müßten, insbesondere, wo es hier kaum Häuser gibt, nicht einmal eine Fischerhütte.«
    Der Führer spielte mit der Zunge in der Lücke, die durch zwei fehlende Vorderzähne entstanden war. Er trat von einem Fuß auf den anderen und fühlte sich offensichtlich unbehaglich, dann verbeugte er sich rasch. »Mylady, der Frieden zwischen dem Kaiserreich und Thuril ist nicht sehr stabil. Nur offizielle Gesandte und Händler mit einer entsprechenden Erlaubnis überqueren die Grenze, und das auch nur an bestimmten Übergängen. Sollten Eure Leute weniger als zwei Fußmärsche entfernt von diesem Küstenstreifen oder in der Nähe der Grenzen des Kaiserreiches gesehen werden, würde man Euch für Spione halten.« Wie immer die Thuril mit Spionen umgehen mochten, die Anspannung in seinem Gesicht verhieß nichts Gutes.
    Mara wußte, daß ihre eigenen Leute festgenommene Thuril für die Spiele in der Kaiserlichen Arena verwendeten, und so bestritt sie die Notwendigkeit, sich zu verbergen, nicht länger. Sie winkte Lujan zu sich. »Kommandeur«, flüsterte sie leise in sein Ohr, »wir sind jetzt sehr auf Eure Erfahrungen als Grauer Krieger angewiesen, denn wir müssen unsere Anwesenheit hier so lange verbergen, bis wir weit im Landesinneren sind.«
    Lujan lächelte stürmisch; einige Haarsträhnen quollen unordentlich unter seinem Helm hervor. »Ach, Mylady, dann kennt Ihr auch den letzten meiner Schliche! Wenn Ihr erst wißt, wie gut sich ehrenvolle Krieger zum Herumschleichen eignen, könnt Ihr ihnen dann noch die Bewachung Eurer Kostbarkeiten anvertrauen?«
    »Sie können meine Kostbarkeiten haben, zusammen mit meinem Segen, wenn wir das Ziel unserer Reise erreicht haben«, erwiderte Mara. Ihr stand in diesem Augenblick nicht der Sinn nach Humor, als sie den ersten Vorgeschmack auf die Entbehrungen spürte, denen sie an diesen fremden Ufern begegnen würden.
    Die nächsten Tage erinnerten Mara an die Reise, die sie kurz vor ihrer ersten Eheschließung zur Königin der Cho-ja geführt hatte. Wie damals schlief sie auch jetzt nur geringfügig geschützt auf hartem Boden inmitten einer kleinen Gefolgschaft von Kriegern. Teilweise war sie zu Fuß gegangen, weil der Pfad zu holprig und steil gewesen war, als daß sie in der Sänfte hätte bleiben können. Auch damals war äußerste Eile geboten gewesen, als ihr Trupp in tiefer Nacht die Anwesen feindlicher Lords durchquert hatte.
    Aber in Kelewan war dichter Wald, fast ein Dschungel, in dem sie sich hatten verstecken können. Lang anhaltender Nebel hielt ihren Trupp im Morgengrauen und in der Abenddämmerung verborgen, und Träger schleppten Vorräte.
    Die spärlichen Büsche und das Gras auf dem steinigen Boden in Thuril boten ihnen jedoch nur wenig Schutz. Manchmal mußte sie in Rinnen marschieren, und der Wind in diesen Höhen brachte sie zum Frösteln. Ihre dünnen Sandalen hatten sich vom Stehen auf kleinen Moosflächen mit Wasser vollgesogen. Die scharfen Stengel des Ried-Grases zerkratzten ihre Knöchel, und ihre Hände waren ganz gefühllos von dem Gehstock, den sie benötigte, um das Gleichgewicht zu halten. Einmal streiften sie ein Dorf, robbten im Mondlicht bäuchlings durch das Gras. Hunde bellten ihnen hinterher, doch die schlafenden Hirten wachten nicht auf.
    Mara gewöhnte sich an den Geschmack von zähem Wild, das die Krieger mit ihren Bögen erlegten. Sie hatte von den langen Fußmärschen Schmerzen an Stellen, von denen sie nicht gewußt hatte, daß sie dort überhaupt Muskeln hatte. Auf eine erstaunliche Weise genoß sie die Freiheit und das Leben unter dem hohen Himmelsgewölbe voller treibender Wolken. Aber ihre größte Freude bestand darin, Kamlio zu beobachten.
    Zum ersten Mal in ihrem Leben ohne Zofen, die sich um sie kümmerten, ließ sie ihre langen Haare einfach hängen, zerzaust und durcheinander. Sie kniff die Lippen nicht mehr zusammen oder wurde blaß, wenn die Krieger mit ihr sprachen; die paar, die sich ihr genähert hatten, waren schroff
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