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Tag der Entscheidung

Tag der Entscheidung

Titel: Tag der Entscheidung
Autoren: Raymond E. Feist
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Esel«, erwiderte der Hirte als Antwort auf Maras neugierige Frage. Sein rauher Akzent erschwerte es, das Wort zu verstehen, doch Mara erkannte die midkemische Herkunft. Daß es hier ein Tier gab, das von der anderen Seite des Spalts stammte und durch das Kaiserreich hergekommen sein mußte, machte deutlich, daß der Schmuggel einen großen Teil am Handel dieser Region ausmachte. »Er ist weniger störrisch als eine Querdidra, Mylady, und stark genug, um darauf zu reiten.«
    Bei diesen Worten wölbte Mara die Brauen. »Ich soll darauf reiten? Aber es ist kaum so groß wie ein neugeborenes Needra-Kalb!«
    »Dann müßt Ihr eben laufen«, entgegnete der Hirte beinahe respektlos. »Aber Ihr könnt Euch in den schieferbedeckten Höhen die Knöchel verstauchen, und Eure Krieger ermüden sicher schnell, wenn sie Euch tragen müssen.« Für Kamlio hatte er Stiefel mit festen Sohlen gekauft, die vorne geschnürt wurden und oben mit Pelz verziert waren. Mara beäugte das häßliche Schuhwerk mißmutig und betrachtete den Esel beklommen. Dann ergab sie sich mit einem Seufzer in ihr Schicksal. »Ich werde reiten«, sagte sie. »Zeigt Lujan, wie er mir beim Aufsteigen behilflich sein kann.«
    Der Hirte führte wieder eine seiner schnellen Verbeugungen aus; Mara war überzeugt, daß es seine Art war, seine Erheiterung zu verbergen.
    »Fürchtet Euch nicht«, neckte Lujan, als er neben sie trat. »Denkt daran, wie ich mich an jenem Tag in der Wüste fühlte, als ich auf einen Cho-ja steigen mußte. Sie waren nicht nur viel glitschiger, ich fürchtete auch noch, hinunterzurutschen und dabei auf mein eigenes Schwert zu fallen.«
    »Das war Kevins Idee, nicht meine«, sagte Mara zu ihrer Verteidigung und nahm dann allen Mut zusammen, als der Kommandeur sie hochhob und wie eine Feder auf den gefärbten Ledersattel setzte, der für den Ritt in die Berge auf dem Rücken des Tieres festgezurrt war.
    Das Tier war klein, versuchte Mara sich zu beruhigen, und der Boden war weniger als eine Tuchelle entfernt. Bei einem Sturz würde sie sich höchstens ein paar blaue Flecken holen, ein geringer Preis, wenn sie dafür in diesen fremden, öden Bergen den Schutz vor den Erhabenen finden konnte. Und in der Tat spürte sie den Gang des Esels kaum, der mit kurzen Schritten und Hufen, die wunderbar sicher ihren Tritt fanden, den Pfad entlangtrottete.
    Mara fand ihren Platz auf dem Rücken des Tiers nicht besonders bequem, aber sie verbarg ihre Qualen hinter der den Tsuranis eigenen Haltung, sich in das Unabänderliche zu fügen, während die Gruppe sich immer höher in die verbotenen Berge hinaufwand. Am Nachmittag, als sie abstieg und das Tier zum Tränken geführt wurde, gestand sie Lujan, daß sie die Einfuhr von Eseln verhindert hätte, wenn sie gewußt hätte, was für Geschöpfe es waren. »Tatsächlich ein kleines Pferd«, hatte sie geschnaubt und sich steif auf die Erde gesetzt, um mit den anderen eine Mahlzeit aus hartem Brot und saurem Käse zu sich zu nehmen.
    Lujan grinste nur. »Sie sind äußerst zuverlässig, hörte ich. Der Mann, der sie über die Grenze bei Honshoni verkauft, sucht schon eine andere Herde, weil sie die Querdidra als Lastentiere bei weitem übertreffen.«
    Mara konnte nicht umhin, ihm zuzustimmen, trotz ihres schmerzenden Hinterteils. Sie hatte die Gesellschaft der übelriechenden, bösartigen Querdidra ausgehalten, als sie im Kampf gegen die Wüstenräuber die Berge Tsubars überquert hatten. Aber als der Esel seinen faserigen Schweif hob, um seinen Dung abzulassen, behielt sie ihre Meinung für sich. Selbst wenn er dem launenhaften, sechsfüßigen einheimischen Lastentier überlegen war, seine Gewohnheiten waren genauso unsauber.
    Plötzlich wirbelte der Hirte herum, das Stück Brot in seiner Hand war völlig vergessen. Er hielt das Gesicht in den Wind, kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und ließ den Blick über die öden, von Sträuchern bedeckten Hügel schweifen, ganz als könnte er in den Felsen und der Pflanzenwelt wie in einer Buchrolle lesen. »Wir werden beobachtet«, sagte er leise zu Lujan. »Den Verdacht habe ich, seit wir das Dorf verlassen haben.«
    Der Kommandeur aß weiter, als wäre nichts geschehen, als wären sie nicht unmittelbar bedroht. »Sollen wir uns bewaffnen?« wollte er wissen.
    Der Hirte drehte sich um und sah ihn entsetzt an. »Nicht, wenn Euch Euer Leben lieb ist. Nein. Macht weiter. Tut so, als sei alles in Ordnung. Und wenn sich jemand nähert, vermeidet jede bedrohliche
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