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Tag der Entscheidung

Tag der Entscheidung

Titel: Tag der Entscheidung
Autoren: Raymond E. Feist
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Sorgfalt die Behälter verblaßter Pergamentrollen und die abgegriffenen Kisten. »Sie war hier. Das genügt.« Er streckte einen Finger aus und brachte die Puppe mit dem kostbaren Kopfschmuck aus Metallglöckchen zum Klimpern. »Und wenn schon, der Narr ist tot. Im Grunde ersparte er uns die Mühe.«
    Tapeks schwere, zimtfarbene Brauen zogen sich runzelnd zusammen. »Das genügt?« Er trat über den unglückseligen Jamel und stellte sich dem unruhig auf und ab gehenden Kameraden in den Weg. »Was hat der tote Mann ihr erzählt? Darum geht es! Wir wissen, daß Jamel seinen Gehorsam gebrochen hat. Er hätte alles sagen können, bevor er sich das Messer ms Herz trieb!«
    Das leichte Zischen der Kohle war jetzt das einzige Geräusch in der Nacht. Der Hund hatte aufgehört zu bellen. Selbst das weitenfernte Rumpeln von den Docks versiegte. Die alltäglichen Geräusche von Sulan-Qu verstummten für einen Augenblick, als hielte die Stadt den Atem an.
    Shimone streckte einen Finger aus und richtete ihn wie einen Zweig auf Tapeks Brust. Er bewegte seine Hand. Es geschah nichts, und doch sprang der jüngere Magier zur Seite. Als Shimone an ihm vorbeischritt, um mit der Untersuchung von Jamels Besitz fortzufahren, sagte er: »Es interessiert dich, was sie wissen wollte? Also gut, sieh her. Doch ich denke, wir verschwenden unsere Zeit. Sie weiß jetzt, was sie weiß. Daran können wir nichts ändern, sondern nur entsprechend handeln.«
    Tapek rollte mit den Schultern und schob die Ärmel zurück. Seine Augen glühten heiß wie die eines Fanatikers. »Allerdings werden wir handeln. Doch es ist der Beweis von Maras Widerstand gegen unser Edikt, das Hochopepa und seinesgleichen dazu bringen wird, ihren Arsch zu bewegen. Wir brauchen Übereinstimmung in der Versammlung, und er und seine Fraktion arbeiten daran, es zu verhindern.«
    »Hocho ist kein Zauderer«, verteidigte Shimone. Seine Stimme klang schwächer, als er sich hinabbeugte, um die staubige Lücke unter einem Regal zu erforschen.
    »Also gut«, sagte Tapek hastig, denn er war nicht taub für unterschwelligen Tadel, »welcher geringere Magier würde nicht mit Mara sprechen? Sie wird vom gewöhnlichen Volk verehrt. Diese Leute würden ihr alles geben, wonach sie verlangt, nur um in den Augen der Götter Gnade zu gewinnen. Wenn sie Jamel bestochen hat, welche Beweise braucht ihr dann noch, um sie zum Tode zu verurteilen?«
    Shimone richtete sich auf; geistesabwesend wischte er sich Staub und Blut von den Manschetten. »Jamel war sicherlich kein Narr. Du wirst sehen.«
    »Ich werde sehen!« Tapek hob nachdrücklich die Hände. Er warf einen letzten Blick auf seinen Kollegen, dessen Verhalten schwierig, wenn nicht gar hinderlich gewesen war. Wenn er auch ein langjähriger Freund von Hochopepa war, hatte er sich sonst immer vernünftig gegeben. »Du wirst sehen«, fügte Tapek hinzu. Dann stimmte er den Gesang an, um die Handlungen der kurz zurückliegenden Vergangenheit in Gestalt von Geistern zurückzurufen.
    Kälte schien die enge Atmosphäre der armseligen Hütte zu durchströmen, auch wenn die Luft selbst reglos war. Shimone gab es auf, in den Sachen auf den Regalen herumzustochern. Er beugte sich nachdenklich hinab und schloß die Augen des Toten. Dann schritt er mit einer Bewegung, die so strahlend war wie die eines Vogels, zur Mauer, wo er mit gekreuzten Armen auf die Ergebnisse von Tapeks Beschwörung wartete.
    Der Gesang des jüngeren Magiers näherte sich jetzt einem Zischen. Seine erhobenen Hände waren reglos, als würden sie seinen Willen und seine Kraft erzwingen. Hinter der Kohlenpfanne glühte ein Licht auf, das nicht vom Feuer oder von der Kohle stammte. Es strahlte in eisigem Silberblau, dann verteilte es sich in dunstige Lichtdurchlässigkeit, aus der sich langsam die Konturen einer Gestalt bildeten; es war Jamel, der mit erwartungsvoll Richtung Tür gerichtetem Gesicht dasaß. Wenige Augenblicke später traten die Besucher ein: Mara und zwei ihrer Offiziere. Eine Unterhaltung begann zwischen ihnen, unheimlich in ihrer Geräuschlosigkeit. Shimone schien ebenso aufmerksam den Geräuschen draußen im Armenviertel zu lauschen wie der Entfaltung von Tapeks Zauberbann.
    Durch Lippenlesen erkannten sie, daß die Inhalte der Diskussion nur dürftig waren. Maras Sorge galt der Entfremdung von ihrem Ehemann, die Monate zuvor bei der Geburt ihrer Tochter begonnen hatte. Die Szene war unschuldig genug; nur daß Jamel zur Verblüffung und Gereiztheit der Magier anfing,
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