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Tag der Entscheidung

Tag der Entscheidung

Titel: Tag der Entscheidung
Autoren: Raymond E. Feist
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sicher eines, bevor wir so weit von der Küste entfernt sind, daß die See zu rauh dafür ist.«
    »Wie meine Herrin befiehlt«, sagte Saric und erhob sich geschmeidig, um sich zu verbeugen.
    Als er hinausging, ganz und gar ohne Anzeichen von Scham, begriff seine Herrin, daß er sein Ziel erreicht hatte; ihre niedergeschlagene Stimmung war verflogen. Zwar hatte sie die Stadt der Ebene verpaßt und das Einschiffen in Kolth; aber sie befand sich auf dem Weg in ein Gebiet, das ihres Wissens noch kein Tsurani betreten hatte.
    Sämtliche Berge von Thuril lagen vor ihr, und ihr Herz hüpfte vor Erwartung auf unbekannte Abenteuer.
    Später stand Mara gebadet und in Düfte gehüllt, wenn auch einfach gekleidet, am Bug der Coalteca und blickte auf das Wasser, sah, wie die Gischt aufspritzte und in sich zusammenstürzte und die schillernden Jalor-Fischc durch das Naß hüpften. Sie lachte vor Vergnügen, als ihre Schuppen im Sonnenuntergang aufblitzten, etwas, das Kamlios scharfem Blick entging.
    »Was seht Ihr bloß in dieser trostlosen See, das Euch so amüsiert?« fragte die ehemalige Kurtisane säuerlich. Es hatte den Anschein, als ließe sie die ehrerbietige Anrede »Herrin« absichtlich weg, um Mara herauszufordern.
    »Ich sehe Schönheit«, antwortete Mara und tat so, als hätte sie die Verbitterung hinter der Frage nicht bemerkt. »Ich sehe Leben. Wir müssen die Augenblicke des Friedens zwischen den Kämpfen wertschätzen. Das habe ich gelernt, seit ich Herrscherin wurde.«
    Lujan näherte sich von mittschiffs. Sein federbuschloser Helm schimmerte kobaltblau vom Widerschein des dunkler werdenden Himmels. Er verbeugte sich vor Mara. »Wir machen gute Fahrt, Mistress.«
    Mara zog ihre Augenbrauen hoch. »Seid Ihr unter die Seefahrer gegangen, Kommandeur?«
    Lujan lächelte, sein Ausdruck war weniger unterwürfig als der von Saric, hatte immer etwas Keckes. Wieder hatte Mara den Eindruck, als müßte sie diesen Augenblick würdigen.
    »Nein«, räumte er ein, »aber der Kapitän sagte es mir.« Er verzog das Gesicht, als er den Helm abnahm; er saß längst nicht so gut wie der ausgefeiltere, den er in Sulan-Qu zurückgelassen hatte. Er fuhr sich mit den Fingern durch das feuchte Haar und atmete die Seeluft tief ein.
    Mara ignorierte Kamlios Gleichgültigkeit. »Diese Reise bringt Erinnerungen zurück.«
    Lujans Blick wanderte den Fockmast empor zu den prallen Segeln, die das letzte goldene Sonnenlicht einfingen. »Ich vermisse den Barbaren auch, Herrin. Obwohl er bei der letzten Fahrt die Hälfte der Zeit mit dem Gesicht über einem Eimer zubrachte.«
    Mara mußte lachen. »Hartherziger Soldat«, meinte sie anklagend. »Eines Tages wird auch Euer Magen das Opfer eines Sturms werden, und dann denkt Ihr nicht mehr, daß die Seekrankheit ein Spaß ist.«
    »Götter im Himmel«, sagte Lujan mit beißender Schärfe, »wünscht mir kein solches Schicksal an den Hals, wenn mein Cousin an Bord ist. Er würde mir als Medizin eine Suppe mit Fischschuppen kochen und dann allen meinen Lieblingsmädchen erzählen, wie ich mit grünem Gesicht aussah.« Als Kamlio sich in stummer Feindseligkeit immer mehr versteifte, lächelte Lujan sie mit jenem charmanten Grinsen an, das die Hälfte der Prostituierten in der Provinz dazu brachte, sich gefährlich weit über die Brüstungen zu lehnen, um ihn anzusprechen. »Ich wollte Euch nicht kränken, schöne Blume, aber alle meine Mädchen lieben ihren Beruf. Sie mißgönnen nicht, was sie mir gewähren, und ich behandle sie nicht wie mein Eigentum. Ich bin weder der Händler, der Euch kaufte und als Bettgespielin ausbildete, noch einer der Herren, die Euch benutzten. Nehmt Euch diese Weisheit zu Herzen, und hört auf, in den Gesichtern eines jeden Mannes, dem ihr zufällig begegnet, jene anderen zu suchen.«
    Kamlio sah aus, als wolle sie Gift spucken. Dann warf sie ihre honiggoldenen Haare zurück, raffte die billige Flickenrobe zusammen und stapfte in steifer Haltung ohne ein weiteres Wort davon. Sie bewegte ihren Kopf keinen Millimeter, als sie die Matrosen flüstern hörte und die bewundernden Blicke der Seemänner spürte, sondern hastete den Niedergang hinunter in die Kabine, die ihr zugewiesen worden war.
    »Sagt es nicht«, murmelte Mara leise, als sie das Schimpfwort ahnte, das ihr Kommandeur gerade aussprechen wollte. »Ihr würdet sie bestimmt weniger feindselig stimmen, wenn Ihr aufhören würdet, sie ›schöne Blume‹ zu nennen.«
    Lujan zeigte einen gequälten Gesichtsausdruck.
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