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Tag der Entscheidung

Tag der Entscheidung

Titel: Tag der Entscheidung
Autoren: Raymond E. Feist
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»Aber das ist sie. Und wenn sie sich die Haut zerkratzen würde und voller Narben wäre, würde ihr Körper dennoch einen Mann reizen und zum Schwitzen bringen.« Dann errötete er wegen der freizügigen Worte, als ob er sich erst jetzt erinnerte, daß die Person, mit der er sprach, weiblich war und noch dazu seine Herrin.
    Mara berührte seinen Arm, um ihn zu beruhigen. »Ich fühle mich durch Euren persönlichen Ton nicht angegriffen, Lujan. Ihr seid für mich der Bruder, den ich verloren habe, von der Stunde an, seit Ihr damals in jenem Tal in meinen Dienst tratet.«
    Lujan stülpte den Helm wieder über die wirren Haare. »Lady, ich kenne Euch wie mein eigenes Herz. Aber diese Kamlio verwirrt mich. Ich weiß nicht, was Arakasi in ihr sieht.«
    »Er sieht sich selbst«, antwortete die Lady. »Er sieht Dinge aus seiner Erinnerung und möchte ihr die Schmerzen ersparen, die er selbst einmal erlitten hat. Dann liegt eine große Anziehungskraft.« Sie starrte hinaus in die Dunkelheit und fragte sich, ob das auch der Grund war, warum sie so sehr unter der angespannten Beziehung zu Hokanu litt. Schweigend dachte sie darüber nach, ob Lujan, als Mann, vielleicht die kalte Reaktion ihres Gatten auf die Geburt seiner Tochter verstehen konnte. Wenn Lujan ihr Bruder wäre und nicht ihr Kommandeur, hätte sie ihn vielleicht gefragt. Aber hier, in aller Öffentlichkeit auf dem Deck eines Schiffes, hielten Tradition und äußere Umstände sie davon ab.
    Die hereinbrechende Dunkelheit hüllte sie wie ein Vorhang ein und vermittelte das Gefühl von Privatheit. Mara studierte das Gesicht des Kommandeurs im Zwielicht. Neue Linien hatten sich in sein Gesicht eingegraben, und die Schläfen waren grauer als damals, als sie ihn aus seinem Leben als Grauer Krieger befreit hatte. Erst jetzt bemerkte sie, daß die vielen Stunden, die er bei Wind und Wetter damit verbrachte, Truppen zu drillen, Spuren in seinem Gesicht hinterlassen hatten. Sein Teint wurde genauso ledern wie der von Keyoke. Wir werden älter, dachte Mara traurig. Und was bleibt von unserem Leben und unseren Mühen? Ihre eigenen Kinder waren vor ihren Feinden ebensowenig sicher wie sie selbst; und wenn Hokanu im Herrschen und Befehlen nicht so geübt gewesen wäre, hätte er vielleicht längst das Blut seiner eigenen Familie vergießen müssen, um seine Cousins in Schach zu halten.
    Mara seufzte. Sie wußte, wenn ihr Bruder an ihrer Stelle überlebt und das Erbe angetreten hätte, hätten die Minwanabi mit großer Wahrscheinlichkeit die Nachfolge als Kriegsherr angetreten, und die unsicheren und gefährlichen Veränderungen durch die Verlagerung der Macht auf den Kaiser wären niemals möglich gewesen. Manchmal rief Lujans neckender Humor Lanokotas Bild in ihr hervor. Aber ihr Bruder war kaum im Mannesalter gewesen, hatte sich gerade erst an den Herausforderungen des Lebens gemessen, als sie ihn verlor. Der Mann neben ihr verfügte jedoch über die ganze Kraft und Reife eines Kriegers. Die Härte, die sich während seiner Jahre als Geächteter in ihn hineingefressen hatte, war nie ganz gewichen, trotz seiner inbrünstigen Loyalität und der Zuneigung, die sein Vorgänger Keyoke ihm entgegenbrachte. Von der plötzlichen Einsicht getroffen, daß ein solch braver Mann Söhne haben sollte, platzte Mara spontan heraus: »Ihr solltet heiraten, denke ich.«
    Lujan lehnte mit dem Rücken an der Reling und grinste. »Ich habe erst kürzlich gedacht, daß vielleicht die Zeit für einen Sohn oder eine Tochter gekommen ist.«
    Das Geschehen zwischen Arakasi und Kamlio hatte Maras Wahrnehmung erhöht, und sie fragte sich plötzlich, ob er möglicherweise eine Frau liebte, die er nicht um eine Heirat bitten konnte. »Habt Ihr jemanden im Auge?«
    Lachend sagte er mit einem zärtlichen Blick: »Wir sind immerhin schon bei weniger als einem Dutzend.«
    Mara wußte, daß sie das Opfer eines kleinen Spaßes geworden war. »Ihr seid und bleibt ein Gauner! Sucht eine verständnisvolle Frau, die Euch Euer freches Wesen nicht übelnimmt, Lujan.«
    »Sie würde mich auf jeden Fall schelten«, entgegnete der Kommandeur. »Wißt Ihr, ich habe diese schreckliche Angewohnheit, meine Waffen auch im Bett zu tragen.«
    Das war nur halb im Scherz gesagt; die Ereignisse der vergangenen Jahre, seit sie als Herrscherin an die Macht gekommen war, veranlaßten alle ihre Krieger, ständig kampfbereit zu sein. Es hatte einfach zu viele Angriffe aus zu vielen unbekannten Richtungen gegeben. Schlimmer noch, kein
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