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Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)
Autoren: Claudia Schreiber
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»Rote Schuhe wären schön!«
    Der Bäcker warf ihr einen vernichtenden Blick zu und verschwand schimpfend in der Backstube. Seine Frau dagegen setzte sich beglückt hinters Steuer, betrachtete ihr Gesicht im
Rückspiegel, schminkte ihre Lippen, setzte eine Sonnenbrille auf und steuerte als nächste Station Nette an. Annie und der Apotheker fühlten sich inzwischen wie Engel, die eine gute
Überraschung verkünden konnten.
    Nette blühte auf wie eine Kirsche, genauso weiß und rot, und duftete dazu herrlich. »Ich darf mit!?«
    »Es war Annies Wunsch«, erklärte der Apotheker.
    »Dein Wunsch?« Nette stand der Mund offen.
    »Was? Warum denn, gibts einen Grund?«
    Er blieb Nette die Antwort schuldig.
    Nächste Station des Busses war Galles Haus, der als Einziger von der Reise wusste. Gut gekleidet, mit Koffer stand er am Wegesrand.
    Nahe der Bushaltestelle wartete Fritzi mitten auf der Fahrbahn und zwang die Bäckerin zu halten: »nach wohin is egal. will isch mit.«
    »Wissen deine Eltern Bescheid?«, fragte der Apotheker.
    »schickisch sms. reicht.«
    »Beruhige dich«, sagte Galle, der Karls Bedenken bemerkte. »Der Wagen ist Punkt fünf da. Ihr holt mich vom Büro ab, und ich bringe euch zum Flugplatz.«
    Nette starrte ihn an und fragte sich, um wen sie sich mehr Sorgen machen musste, Fritzi oder diesen Bekloppten mit seinem Film: »Hoffentlich blamiert der uns nicht.«
    Fritzi war derselben Ansicht: »der brauch ’n doktor.«
    »Was für ein Arzt könnte dem helfen?«
    »Brauchen wir nicht alle einen Arzt?«, warf die Bäckerin dazwischen.
    »meine mutter hat ’n gesäßspezialist.«
    Annie schaute Fritzi angestrengt an: »Gesäßspezialist? Sag mal, bist du bescheuert? Hat Galle was am Hintern?«
    Fritzi wunderte sich: »habbisch was von aasch gesagt?«
    Der Apotheker krümmte sich vor Lachen wie noch nie in seinem Leben, er lachte, bis ihm die Tränen kamen.
    Auf der langen Fahrt sprach bald niemand mehr, jeder hing seinen Gedanken nach, Fritzi hatte Kopfhörer im Ohr, die anderen hörten Radio, Annie schaute wissbegierig
aus dem Fenster, flüsterte Ortsnamen, die sie auf Schildern fand, Autobahnausfahrten, verglich die Route auf einer Straßenkarte, die die Bäckerin ihr gegeben hatte. Einmal nur
suchten sie gemeinsam Spuren der alten Grenzzäune und Reste der Mauer, die Deutschland geteilt hatte. Es war nichts mehr zu erkennen.
    Vor dem Hotel in der Innenstadt öffnete ihnen ein Herr in schmucker Uniform die Wagentür. Galle war der einzige Mann in ihrer Gruppe, der sich in einen schwarzen Anzug gezwängt
hatte; sein starrer Blick, der heute autoritär wirkte, und seine unbeholfene Art, aus der Bustür zu steigen, ließen den Hotelportier glauben, er sei, schrullig, aber genial,
mindestens der Präsident einer Handelsbank mit einem Faible für Oldtimer und Großfamilie.
    Galle glotzte ihn natürlich an, drückte ihm einen Euro in die Hand und sagte: »Heute Abend teilen wir uns ein Schnitzel, und Sie geben mir wieder Umlautstunden.«
    Der Portier tat, was solche Leute gelernt haben, er antwortete: »Ganz, wie Sie wünschen, der Herr«, öffnete anschließend die Heckklappe und lud ein paar
Plastiktüten aus.
    »Donnerwetter!«, meinte die Bäckerin, als sie sich das große, elegante Haus ansah. »Da drin würde ich nicht mal wagen, aufs Klo zu gehen, so nobel sieht das
aus. Karl, hast du wahrhaftig hier gebucht?«
    Das ganze Viertel glich einer eleganten Filmkulisse: Schloss, Oper, Zwinger und Museen, frisch renoviert und für die Touristen und die Bierwerbung hergerichtet, die Straße mit
ebenmäßigem dunklem Kopfstein gepflastert.
    Das Hotel war ein in Gelb und Weiß verputzter Palast mit Bogenfenstern aus dunklem Holz. Straße und Haupteingang wurden von einem schmiedeeisernen Zaun und einem kleinen Hof
getrennt, in dem sich nackte Engel an Säulen klammerten. Dazu Brunnen, an denen sich Schlangen zwischen steinernen Weinranken wanden und das Wasser aus Mäulern floss, festgehalten von
Wesen, die oben wilde Menschen und unten dicke Fische waren.
    Galle sprach jetzt sogar eine Passantin an, die am Hotel vorbeiging: »Tun Sie, was Sie können! Wir wohnen im Grandhotel Potemkin.«
    Der Portier korrigierte vornehm, es handele sich bei ihrer heutigen Adresse um das Grandhotel Taschenbergpalais, eine Verwechslung könne aber leicht passieren, wenn man oft unterwegs
sei.
    Er führte sie in die Halle. Den Reisenden nahm dieses großartige elegante Haus jeden Mut, es schien für weltgewandte
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