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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman
Autoren: Lisa Lutz
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PROLOG
    San Francisco, nachts
    Ich schlüpfe ins Parkhaus, hoffentlich unbemerkt. Doch meine Stiefel tappen über den nackten Beton, als wollten sie aller Welt verraten, wo ich mich gerade befinde. Und ich weiß, dass die das brennend interessiert. Ich nehme mir vor, diese Treter nur noch zu tragen, wenn ich vor Verfolgung sicher bin.
    Jetzt renne ich die gewundene Auffahrt hoch und hoffe, dass sie mich bei dem Tempo nicht einholen können. Dabei schnaufe ich so laut, dass es sogar das Geräusch meiner Schritte übertönt. Hinter mir ist nichts zu hören.
    Jäh bleibe ich stehen und lausche genauer. Da! Eine Autotür klappt zu, dann eine weitere, ein Motor startet. Während ich nach Daniels Wagen Ausschau halte, versuche ich, den nächsten Schritt meiner Verfolger vorherzusagen.
    Endlich finde ich ihn – den nachtblauen BMW –, von beiden Seiten durch zwei riesige Geländewagen verdeckt. Ich stürze zu der frisch polierten Limousine, stecke den Schlüssel ins Schloss.
    Der schrille Ton trifft mich wie ein Schlag in die Magengrube. Ich brauche einen Moment, um mich davon zu erholen. Die Alarmanlage hatte ich völlig vergessen. Normalerweise fahre ich einen zwölf Jahre alten Buick, für den man nichts weiter braucht als einen verdammten Schlüssel.
    Mit dem Daumen fummle ich an der Fernbedienung herum, bis endlich die Sirene verstummt. Dafür höre ich jetzt das andere Auto die Auffahrt heraufschleichen, langsam genug, um mich auf die Folter zu spannen. Endlich erwische ich den Knopf für die Türentriegelung.
    Der unscheinbare Ford will sich hinter mich schieben, doch ich schaffe es gerade noch, mit quietschenden Reifen aus der Parklücke zu jagen, bevor er mir den Weg versperrt. Als ich dasParkhaus verlasse, sehe ich im Rückspiegel, dass sie mir dicht auf den Fersen sind. Ich schieße über die Straße, biege scharf nach links ab. Trete das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Erstaunlich, wie schnell und doch sanft dieses Luxusgefährt beschleunigt. Plötzlich wird mir klar, dass manche Leute diese Autos nicht nur aus Eitelkeit kaufen. Besser, ich gewöhne mich gar nicht erst daran.
    Binnen Sekunden schnellt der Tacho auf achtzig Stundenkilometer hoch. Der Ford ist etwa hundert Meter hinter mir und holt allmählich auf. Ich drossle das Tempo, bis sie wieder an meiner Stoßstange kleben, und biege urplötzlich rechts in die Sacramento Street ein. Aber sie kennen alle meine Tricks und bleiben dran.
    Wir rasen über zwei Hügel, haben in null Komma nichts die Innenstadt erreicht. Ein Blick auf die Tankanzeige verrät mir, dass ich die hohe Geschwindigkeit vielleicht noch eine Stunde halten kann. Ich biege nach rechts in eine Allee, mache einen plötzlichen U-Turn, biege dann sofort nach links und gegen die Fahrtrichtung in eine Einbahnstraße ab. Zwei Wagen weichen mir hupend aus. Im Glauben, Vorsprung gewonnen zu haben, sehe ich in den Rückspiegel, doch sie lassen sich nicht abschütteln.
    Südlich der Market Street beschleunige ich ein letztes Mal, mehr zur Show als um ernsthaft die Flucht zu wagen. Dann trete ich knallhart auf die Bremse. Ich will sie überrumpeln, damit sie nicht vergessen, wer hier den Ton angibt.
    Der Ford hält mit quietschenden Reifen knapp drei Meter hinter mir. Ich schalte den Motor ab, atme ein paar Mal tief durch. Dann steige ich aus und gehe zu der anderen Limousine rüber.
    Auf mein Klopfen gleitet das Fahrerfenster herunter. Eine Hand auf die Motorhaube gestützt, beuge ich mich leicht vor.
    »Mom. Dad. Jetzt reicht’s!«

Die Befragung
Teil 1
    Zweiundsiebzig Stunden später
    Eine einzelne nackte Glühbirne baumelt von der Decke, ihr trüber Schein erhellt die spärliche Ausstattung des fensterlosen Raums. Das Inventar kann ich mit geschlossenen Augen aufzählen: ein Holztisch mit abblätternder Farbe, umstellt von vier wackligen Stühlen, ein Telefon mit Wählscheibe, ein alter Fernseher und ein Videorecorder. Dieser Raum ist mir sehr vertraut. Viele Kindheitsstunden habe ich hier zubringen müssen, um für Verbrechen einzustehen, die ich vermutlich alle begangen hatte. Doch jetzt stehe ich hier einem Mann Rede und Antwort, den ich noch nie gesehen habe, aufgrund eines Verbrechens, über das wir noch nichts Genaues wissen. Ein Verbrechen, das ich mir vor Angst nicht weiter ausmalen will.
    Inspektor Henry Stone stellt einen Kassettenrecorder in die Tischmitte und schaltet ihn ein. Es fällt mir schwer, den Mann einzuordnen: Anfang vierzig, kurzes graumeliertes Haar, gestärktes
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