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Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)
Autoren: Claudia Schreiber
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wird euch beiden guttun.«
    Der Drogenhändler war ungeheuerlich gewachsen, hatte einen Riesenschädel gekriegt; Annie nahm ihn auf den Arm und glaubte, seinen Bartwuchs bereits erkennen zu können, die
Südländer fingen ja früh damit an.
    Frau Schmitt war schlau, sie fragte: »Sieht Otto der Kindsmutter ähnlich?«
    »Welcher Otto?«, fragte Annie zurück.
    »Na, er, sein Name ist Otto.«
    Die Pädagogin zog verlegen die Schultern hoch. Annie wandte sich zu dem Kleinen und schnitt Fratzen, lachte mit dem armen Kerl, der nun einen solch altmodischen Namen trug, und kitzelte ihn
am Bauch.
    »Wir müssen wissen, wer die Kindsmutter ist«, sagte Frau Schmitt. »Damit die Dinge geregelt sind, wir bekommen ihn sonst lange nicht zugesprochen. Eine gewisse Beate, sagt
man?«
    Annie hörte weg, schaute nur Otto an. Lieber Himmel, im ganzen Land stand dieser Name auf den Mülltonnen. Vielleicht kann man ja auch als Otto glücklich werden, dachte sie, reimt
sich immerhin auf Lotto.
    Nette stand recht lange unbeholfen herum, nun ging sie zu ihrer Tochter und schaute sich den Kleinen ebenfalls an.
    »Der ist aber herzig«, lächelte sie. »Und schon so groß.«
    Die Schmitt ließ nicht locker: »Es kommt doch keiner einfach ins Haus und gebiert so mir nichts, dir nichts ein Kind, da stimmt doch was nicht!«
    Nette drehte sich um und sprang für Annie in die Bresche: »Jetzt reichts aber, Herrschaften! Meine Tochter hat zwei Menschenleben gerettet. Das ist ja wohl genug. Die Kindsmutter ist
abgehauen, keiner weiß, wohin, Annie auch nicht. Und jetzt Schluss mit der Geschichte, ein für alle Mal.«
    Sie nahm den Jungen aus Annies Armen und gab ihn der Pflegemutter.
    »Otto ist ein so hübscher Name, das nebenbei.«
    Sie bat die Pädagogin: »Wir möchten jetzt gehen.«
    Annie hatte jedes Wort ihrer Mutter genossen. Sie lächelte Nette an, so kurz, wie man es eben tat, wenn man noch gekränkt und schon versöhnt war. Man ließ den Bienenstich,
die Schmitts und Otto zurück, sie wollten nur noch heim.
    Einen Tag später lag Geld auf dem Küchentisch, mit einem Zettel von Nette, dass sie damit in Zukunft zu jedem Ersten rechnen konnte.
    Dem Friseur hat Annie ein Foto aus einer Zeitschrift gezeigt, und dann tat der Bursche, wozu er da war. Er schnitt ihr die Haare und reichte ihr hinterher einen Föhn.
    »Den kannst du sogar geschenkt haben, wenn du mir verrätst, wie dein Opa dieses Mädchen rumgekriegt hat. Ich frisiere ihn ja schon, seit ich denken kann. War es die Glatze? Bin
ich also quasi schuld an seiner erotischen Anziehungskraft?«
    Annie nahm den Föhn und nickte.
    »Ich habe es gewusst!« Der Friseur war unglaublich stolz auf sein Werk: »Ich habe ihn begehrenswert geschnitten, so ist das.« Er nickte vor sich hin und erwog, seine
Preisliste zu ändern.
    Von ihrem neuen Geld kaufte sich Annie Kleidung, anders als Fritzi, anders als ihre Mutter, sie kaufte solche, die sie wollte und mochte, in den Farben ihrer Plantage und so locker, dass der
Wind damit spielen konnte, wenn ihm danach war.
    Wenige Tage später erledigte Annie kurz vor Sonnenuntergang ihren letzten Baum, es war Februar. In allen zwölf Lücken zwischen den dreizehn Baumreihen lagen die
abgeschnittenen Äste etwa einen Meter hoch aufgehäuft, unglaublich viel Holz, das später gehäckselt und gemulcht werden musste. Die in kleine Stücke gehackten Äste
bedeckten dann den Boden, schützten und düngten ihn. Darum würde sich Nette kümmern müssen. Annie hatte ihre Arbeit getan. Noch nie hatte jemand in ihrem Alter so viele
Kirschbäume allein beschnitten.
    Nenn mir einen, der das getan hat? Also!, sagte sie zu sich selbst.
    Nun die zweite Sensation: Am Tag darauf bekam sie ihr Zeugnis in die Hand gedrückt, lauter Einser und Zweier. Nenn mir eine, die solche Noten hat.
    Sie rannte hin zu dem, der es als Erster erfahren sollte, klopfte an seine Haustür, klingelte Sturm, aber er öffnete nicht. Enttäuscht ging sie nach Hause und legte dort ihr
Zeugnis demonstrativ auf den Küchentisch. Als Nette einen Blick darauf warf, konnte sie nur staunen: »So gut war noch niemand aus unserer Familie, ich gratuliere dir, Kleines. Das ist
alles auf deinem Mist gewachsen? Donnerwetter!«
    Annie erwartete nun einen Satz wie: Wenn ich im Kinderwagen nicht so hätte schreien müssen, wären meine Noten auch so gut gewesen, und so weiter. Es kam aber nichts, stattdessen
lächelte Nette weiter – bis sie zwei Minuten später die Postkarte aus dem Briefkasten
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