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Südlich der Grenze, westlich der Sonne

Südlich der Grenze, westlich der Sonne

Titel: Südlich der Grenze, westlich der Sonne
Autoren: Haruki Murakami
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auch einmal ohne diese ganzen Sachen umarmen. Ich kann es nicht mehr aushalten.«
    Izumi hatte einen Moment lang überlegt. »Also gut, wenn du es dir wirklich so sehr wünschst. Aber eins musst du mir versprechen«, sagte sie mit ernster Miene. »Du darfst nichts machen, was ich nicht will.«
    Also kam sie eines Sonntags zu mir nach Hause. Es war ein schöner, etwas kühler Tag Anfang November. Meine Eltern sollten erst am späten Abend zurückkommen. Es war der Todestag irgendeines Verwandten meines Vaters, und sie besuchten die Angehörigen. Eigentlich hätte ich mitfahren sollen, aber ich gab vor, für eine Arbeit lernen zu müssen, und blieb allein zu Haus. Izumi kam kurz nach Mittag. Wir legten uns auf mein Bett. Ich begann sie auszuziehen. Sie ließ es stumm und mit geschlossenen Augen geschehen. Allerdings stieß ich auf alle möglichen Hindernisse. Ich war von Natur aus nicht sehr geschickt, und außerdem ist die Kleidung von Mädchen wirklich kompliziert. Schließlich gab Izumi es auf, öffnete die Augen und zog sich den Rest selbst aus. Sie trug ein hellblaues Höschen und einen passenden BH . Vermutlich hatte sie die Sachen eigens für diesen Anlass gekauft. Denn bisher hatte sie immer die Art von Unterwäsche getragen, die Mütter ihren halbwüchsigen Töchtern zu kaufen pflegen. Anschließend zog ich mich selbst aus.
    Ich nahm sie in die Arme und küsste ihren Hals und ihre Brüste. Ich streichelte ihre zarte Haut und sog ihren Duft ein. Es war herrlich, sie nackt zu umarmen. Das Verlangen, in sie einzudringen, machte mich fast wahnsinnig. Aber sie wies mich entschlossen in die Schranken.
    »Tut mir leid«, sagte sie.
    Stattdessen nahm sie meinen Penis in den Mund. Zum ersten Mal. Ihre Zunge umkreiste immer wieder meine Eichel, bis ich mich völlig vergaß und ejakulierte.
    Noch lange danach hielt ich Izumi in meinen Armen. Langsam streichelte ich jeden Winkel ihres Körpers. Ich betrachtete sie im Licht der Herbstsonne, die durch das Fenster fiel, und küsste sie überall. Es war wirklich ein verzauberter Nachmittag. Immer wieder drückten wir uns aneinander, und immer wieder ejakulierte ich. Jedes Mal ging Izumi ins Bad und spülte sich den Mund aus.
    »Was für ein seltsames Gefühl«, sagte sie und lachte.
    Ich ging seit gut einem Jahr mit Izumi, aber dieser Sonntagnachmittag war zweifellos unser glücklichster. Als wir einander nackt umarmten, war mir, als hätten wir nichts mehr voreinander zu verbergen. Ich hatte das Gefühl, Izumi erst jetzt richtig zu kennen, und sie empfand wahrscheinlich das Gleiche. Wir brauchten keine Ansammlung von Worten und Versprechungen. Weiterkommen würden wir nur, indem wir nach und nach immer mehr kleine, konkrete Tatsachen schufen. Ich glaubte, dass sie letzten Endes das Gleiche wollte wie ich.
    Lange ließ Izumi ihren Kopf auf meiner Brust ruhen, als würde sie meinem Herzschlag lauschen. Ich streichelte ihr Haar. Ich war siebzehn Jahre alt, gesund und fast erwachsen. Es war einfach herrlich.
    Als sie gegen vier allmählich an Aufbruch dachte, klingelte es an der Haustür. Zuerst ignorierte ich es. Wer immer es war, würde schon verschwinden, wenn niemand öffnete. Stattdessen klingelte es hartnäckig weiter. Das gefiel mir nicht.
    »Vielleicht deine Eltern?« Izumi wurde ganz blass. Sie sprang aus dem Bett und begann sich hastig anzuziehen.
    »Keine Sorge. So früh kommen die nicht. Außerdem haben sie einen Schlüssel.«
    »Meine Schuhe«, sagte Izumi.
    »Was ist damit?«
    »Sie stehen im Flur.«
    Ich zog mich an und lief nach unten. Nachdem ich Izumis Schuhe im Schuhschrank versteckt hatte, öffnete ich die Tür. Es war die jüngere Schwester meiner Mutter, die etwa eine Stunde Bahnfahrt von uns entfernt lebte. Sie war alleinstehend und kam ab und zu vorbei.
    »Was ist denn los? Ich klingle schon seit einer halben Ewigkeit«, sagte meine Tante.
    »Ich habe mit Kopfhörern Musik gehört«, sagte ich. »Die Eltern sind nicht da. Sie sind doch zu dieser Gedenkfeier gefahren und kommen erst abends zurück. Wusstest du das nicht?«
    »Doch, aber ich hatte in der Nähe zu tun und wollte dir was zum Abendessen machen, weil du doch lernen musst. Ich habe schon eingekauft.«
    »Ach, Tantchen, das kann ich doch selbst. Ich bin schließlich kein Kind mehr.«
    »Egal, jetzt habe ich die Sachen schon gekauft. Während ich uns was zu Abend mache, kannst du in aller Ruhe noch ein bisschen lernen.«
    Hilfe, dachte ich. Ich wäre am liebsten gestorben. Wie sollte Izumi jetzt
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