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Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht

Titel: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht - Nuyen, J: Sturmjäger von Aradon - Magierlicht
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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hob Karat alte, bleiche Menschenhände, denn das Licht unterlag seinem Willen. Die Himmelswinde füllten sich mit zischenden, rasselnden Funken und radierten Festungen einfach aus. Schwebeschiffe stürzten ab, wenn er die Faust ballte. Denn das Tiefe Licht war sein Herr. Und er beherrschte das Tiefe Licht. Und ich bin … das Tiefe Licht!
    Luftschnappend öffnete Karat die Augen. Immer wieder zerrten die Visionen ihn so weit von der Wirklichkeit fort, dass er das Atmen vergaß. Wie ein Ertrinkender tauchte er aus den dunklen Tiefen auf und fuhr sich über die Brust, um sicherzugehen, dass er noch da war und lebte. Sein Herz trommelte nach einem neuen, schwereren Takt. Aus Gewohnheit griff er nach dem Araidann, das er auf dem Rücken trug. Das isische Säbelschwert rief ihm ins Gedächtnis, wer er war: Karat, der Schakal. Karat, der bezahlte Tod. Vor Ewigkeiten ein Junge von den Inseln der Isen, einer von tausenden entführten Kindersoldaten im Krieg zwischen Moia und Lhun, einem Reich, das vor mehr als zwei Jahrzehnten untergegangen war. Karat. Das war sein Name, der einzige, an den er sich noch erinnerte. Erinnern musste. Dabei kam ihm dieser Mann, der er angeblich war, reichlich fremd vor.
    Hatte der Junge von den Inseln den Krieg damals tatsächlich überlebt? Hätte überhaupt ein Junge diese Erfahrungen überleben können …
    Schwerfällig richtete er sich auf und schob den Farn beiseite. Irgendwo hinter klauenförmigen Ästen schwamm Mondlicht. Die Nacht war noch jung, doch an Schlaf konnte Karat jetzt nicht denken. Überhaupt schien Schlaf sehr lange her. Lange Zeit … wie lange hatte er hier gelegen? Es konnten Minuten oder Tage vergangen sein, alles war merkwürdig sprunghaft geworden. Tag und Nacht hatten sich längst in ein geteiltes Grab gelegt, Arm in Arm zerfallen zu Dämmerstaub. Verwirrt fuhr Karat sich durch die dunklen Haare, die nur noch lose zurückgebunden waren. Laub knisterte zwischen den krausen Locken. Er schlug sich auf die Wangen.
    »Komm zu dir!« Erst nach einem Moment wurde ihm klar, dass er mit sich selbst gesprochen hatte. Die Erkenntnis war so erschreckend, dass er fast den Kopf schüttelte. Nur Verrückte redeten mit sich selbst. Mit einem seltsamen Lächeln, das in seinen Mundwinkeln juckte, stand er auf und begann sich einen Weg durch das Unterholz zu schlagen. In der Finsternis versanken selbst die Umrisse des Mondes, doch das andere Licht war da und wogte überall auf wie ein stummes Orchester. Er sah Tiere vorüberhuschen, sah Tiere in ihren Höhlen unter der Erde schlafen, weil ihr Licht sie verriet. Das Licht hatte keine Geheimnisse vor Karat. Es war eins mit ihm.
    Eins habe ich. Aber die anderen drei … denn es gibt vier. Doch nur einer wird sie alle in sich tragen können.
    Plötzlich war der Dämon da. Mit geschlossenen Augen sah Karat ihn deutlich vor sich: Der unheimliche Junge beobachtete ihn. Er las in seinen Gedanken, folgte ihm in all seine Träume. Mein Bruder, mein Todfeind. Ich bin dir auf der Spur , flüsterte der Dämon. Ich werde dich kriegen. Warte nur. Warte.
    Karat keuchte. Er sah den Jungen näher kommen, sein wehender Umhang verwandelte sich in den vorbeiziehenden Nachthimmel und jeder seiner Schritte legte Meilen zurück. Die kalte Farbe seiner Augen war ein Todesversprechen, so sicher und unaufhaltsam wie der stahlblaue Morgen. Schweiß brach ihm aus, Karat wischte sich zitternd über den Nacken. Er wusste, dass der Junge ihn verfolgte: Ihre Stimmen hatten ihn gewarnt. Der Junge mit den dämonischen Kräften wollte ihm das Kostbarste wegnehmen, trachtete nach dem Licht, nach dem Tiefen Licht in ihm … Karat presste sich beide Hände auf das Herz, als könnte es ihm herausfallen.
    Er musste erfahren, was die Lichter bedeuteten. Tief in ihm war die Antwort und schlummerte in Ölblasen. Tief in der Erde.
    »Wohin laufe ich«, murmelte er, und wieder merkte er erst einen Moment später, dass er Selbstgespräche führte. Argwöhnisch sah er sich um, als könnte ihn jemand gehört haben. Ihm war, als käme Lachen aus dem Unterholz. Lichter glitten vorüber, viel zu groß für Tiere oder Liriumfunken im Wind. Karat blinzelte. Sie waren da, natürlich. Zu gegebener Zeit würde er erfahren, wer sie waren. Zu gegebener Zeit würde er verstehen, wohin sie ihn führten. Denn das taten sie : ihn führen. So wie der Schwertkämpfer sein Araidann führte, durch Schatten und durch Sonnenschein.
    Tage verstrichen und Nächte vergingen, ohne Erinnerungen zu
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