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Jesus der Kapitalist

Jesus der Kapitalist

Titel: Jesus der Kapitalist
Autoren: Robert Groezinger
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Vorwort
    Einige der besten Köpfe der Ökonomie und Sozialphilosophie haben über die christlichen Wurzeln des Kapitalismus und der westlichen Zivilisation nachgedacht. Nicht nur hinsichtlich der Ursachen der Wohlstandserzeugung und des technischen Fortschritts, sondern auch bezüglich der Quellen der persönlichen Freiheit im Abendland. Die Idee von der Freiheit der Person (und es gibt keine andere Freiheit!) ist europäischen Ursprungs. Ebenso der Kapitalismus, der ja Autonomie und Freiheit des Individuums voraussetzt. Während die anderen Religionen Mystik und Erleuchtung betonten oder ein Eingehen ins Nirwana anstrebten, galt im Christentum die Vernunft als Wegbegleiter zur religiösen Wahrheit. Große theologische Denker wie Augustinus und Thomas von Aquin haben an Fortschritt und Vernunft und an die dem Menschen von Gott verliehene Schöpferkraft des Individuums geglaubt. Das Gebot »Macht euch die Erde untertan« wird von vielen Theologen als Auftrag zum zivilisatorischen – und auch zum technischen – Fortschritt betrachtet.
    Weltruhm erlangte die Suche nach den christlichen Wurzeln des westlichen Kapitalismus mit Max Webers Aufsatz »Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus« (1920). Einige der Weber’schen Thesen können inzwischen als widerlegt gelten. So haben z.B. Ökonomen der Universität München belegt, dass nicht die bessere Arbeitsethik die protestantischen Gebiete in Preußen wohlhabender gemacht haben als katholische Regionen, sondern eine bessere Bildung. Weil Protestanten gehalten waren, oft und regelmäßig die Bibel zu lesen, hatten sie bessere Lesefähigkeiten und ein höheres Bildungsniveau als ihre katholischen Landsmänner der damaligen Zeit. Und nur das erklärt die Unterschiede in der Einkommens- und Vermögensstatistik. Außerdem war schon lange vorher im Florenz der katholischen Medici der Urtypus des kapitalistischen Reichtums und des »Händler-Rebellen« gegen die herrschende Orthodoxie entstanden. Aber an der Grundthese Webers von einem deutlichen Zusammenhang zwischen christlicher Religiosität und wirtschaftlichem Erfolg einer Gesellschaft ändert das nichts. Bestimmte glaubensgeprägte Einstellungen zu Sparsamkeit, Ehrlichkeit und Fleiß sowie zur Offenheit gegenüber Fremden waren konstitutiv für Entstehung und Erfolg des frühen Kapitalismus.
    Auch Agnostiker unter den Ökonomen haben die existenzielle Bedeutung der Religion für das Entstehen, die Ausbreitung und Bewahrung von Markt und Freiheit herausgestellt. So hat z.B. Friedrich A. von Hayek den »konstruktivistischen Rationalismus« der meisten Intellektuellen in der Geschichte des Abendlandes nachgezeichnet und ihn als Kern des Sozialismus und Totalitarismus identifiziert – und somit als zerstörerische Kraft für den freien Markt und die freie Gesellschaft. Die Überschätzung des Verstandes, so Hayek, führe die politischen und geistigen Eliten zu dem Irrglauben, das jeweilige Werte- und Regelgerüst einer freien Marktgesellschaft »vernünftiger« gestalten zu können. Dieser Versuch muss regelmäßig scheitern und die betreffende Ordnung zerstören, weil die notwendigen Regeln des rechten und gerechten Verhaltens spontan aus der Sphäre »zwischen Vernunft und Instinkt« entstanden sind und nicht rein rational bewertet und bewusst verändert werden dürfen. Nur Religion, so Hayek, könne dazu führen, dass die gesellschaftlichen Tabus und die Regeln des »man tut« und »man tut nicht« fraglos akzeptiert werden und dauerhaft gelten. Außerdem haben Religionen – vor allem die monotheistischen – in Hayeks Sicht eine hohe Bedeutung für die Entwicklung, Verbreitung und Bewahrung von Zivilisation und Freiheit, weil sie deren Kerninstitutionen stützen, nämlich Eigentum, Moral und Familie.
    Das sind jedoch alles Erörterungen zur Frage der Nützlichkeit des Christentums für eine marktwirtschaftliche Gesellschaftsordnung. Robert Grözingers Analyse geht weit darüber hinaus und sucht Antworten auf die Frage, ob Christentum und Kapitalismus gemeinsame historisch-spirituelle Wurzeln haben – und ob diese Gemeinsamkeit mehr als nur zufälliger Natur sein könnte. Dass eine fruchtbare Wechselwirkung zwischen den beiden Phänomenen besteht, zeigt sich schon in der Tatsache, dass die Kernländer der christlichen Kultur zugleich die Kernländer des entstehenden Kapitalismus waren. Doch eröffnet die Prüfung der These, dass sich die marktwirtschaftliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung
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