Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Streng vertraulich

Streng vertraulich

Titel: Streng vertraulich
Autoren: Dennis Lehane
Vom Netzwerk:
zwischen dem blauen Malibu und dem grünen Granada hindurch.
»Geh Roland aus dem Weg«, warnte Jerome. »Was Elefanten umbringt, darüber zuckt Roland nicht mal mit der Wimper. Weil, er ist kein Mensch.«
Ich hielt an, drehte mich um, die Hand auf dem Malibu. »Was ist er dann?«
Jerome zuckte mit den Achseln und verschränkte die Arme vor der Brust. »Er ist einfach nur böse. Böser geht’s nicht.«

4_____
    Kurz nachdem ich ins Büro zurückgekehrt war, bestellten wir uns etwas beim Chinesen und gingen den Tag zusammen durch.
    Angie hatte die schriftlichen Spuren verfolgt, während ich nach der Person gesucht hatte. Ich erzählte ihr, was meine Spur an Ergebnissen gebracht hatte, und schrieb die Namen »Jerome« und »Roland« auf die erste Seite unseres Dokuments im Computer. Außerdem tippte ich »Einbruch« und »Motiv?« ein und unterstrich letzteres.
    Das chinesische Essen wurde angeliefert; wir machten uns an die Arbeit, unsere Arterien zu verstopfen und unsere Herzen doppelt so schnell pumpen zu lassen. Angie berichtete mir zwischen zwei Gabeln gebratenem Schweinefleisch mit Reis von den Ergebnissen ihrer Spurensuche. An dem Tag, nachdem Jenna verschwunden war, war Jim Vurnan zu den Restaurants und Geschäften um die Beacon Street und das State House gegangen und hatte geprüft, ob sie dort irgendwem in letzter Zeit einen Besuch abgestattet hatte. Er fand sie nicht, bekam aber in einem Delikatessengeschäft in der Somerset Street vom Besitzer die Kopie einer ihrer Kreditkartenquittungen. Jenna hatte ein Roggenbrötchen mit Schinken und eine Cola mit der Visa bezahlt. Angie hatte die Quittung mitgenommen und die altbewährte Methode angewandt: »Guten Tag, ich bin (Namen der Zielperson einfügen) und habe wohl meine Kreditkarte verloren.« So fand sie heraus, daß Jenna nur eine Visakarte hatte, ihre Kreditwürdigkeit leicht befleckt war (eine Einbuchtung wegen Zwangseintreibung 1981) und daß sie ihre Karte zum letzten Mal am 19. Juni benutzt hatte, das war der erste Tag, an dem sie nicht zur Arbeit erschienen war, und zwar hatte sie sich bei der Bank of Boston an der Ecke Clarendon und St. James einen Betrag von zweihundert Dollar bar auszahlen lassen. Angie hatte die Bank of Boston unter dem Vorwand angerufen, Mitarbeiterin von American Express zu sein. Mrs. Angeline habe eine Kreditkarte beantragt; würde es ihnen sehr große Mühe machen, ihre Kontonummer zu bestätigen?
    Welche Kontonummer?
Diese Antwort bekam sie bei jeder Bank, bei der sie es versuchte. Jenna Angeline hatte kein Bankkonto. Was in Ordnung ist, wenn man mich fragt, aber so ein Mensch ist
    schwerer zu finden.
    Ich wollte Angie fragen, ob sie irgendwelche Banken vergessen hätte, aber sie hielt die Hand hoch und brachte hinter einem Spare Rib die Worte »noch nicht fertig« hervor. Dann wischte sie sich den Mund mit einer Serviette ab und schluckte. Sie nahm einen Schluck Bier und fragte: »Kennst du noch Billy Hawkins?«
    »Ja, klar.« Billy säße heute in der Justizvollzugsanstalt
    Walpole, wenn wir ihm nicht sein Alibi besorgt hätten. »Also, Billy arbeitet jetzt für die Western Union, an so einem
Expreßschalter, wo man sich Bargeld gegen Schecks
auszahlen lassen kann.« Sie lehnte sich zufrieden zurück. »Und?«
»Und was?« Sie hatte ihren Spaß.
Ich griff nach einem fettigen Spare Rib und holte aus. Sie ergab sich mit erhobenen Händen. »Okay, okay. Billy
recherchiert für uns und versucht herauszufinden, ob sie eine
von seinen Filialen in Anspruch genommen hat. Sie kann seit
dem Neunzehnten mit den zweihundert Dollar nicht weit
gekommen sein. In dieser Stadt schon gar nicht.«
»Und wann meldet sich Billy wieder bei uns?«
»Heute konnte er nichts mehr machen. Er meinte, sein Chef
würde Verdacht schöpfen, wenn einer zu lange nach
Dienstschluß herumhängt, und seine Schicht war schon fünf Minuten lang vorbei, als ich anrief. Er macht es morgen. Er
sagte, er würde uns bis Mittag anrufen.«
Ich nickte. Hinter Angie zogen sich vier blutrote Streifen über
den Himmel, und die leichte Brise blies ihr die feinen Haare
hinter dem Ohr auf die Wangen. Van Morrison ertönte aus
dem Ghettoblaster hinter mir, er sang von »Crazy Love«, und
wir saßen hier in diesem vollgepackten Büro, blickten uns, das
schwere chinesische Essen und den feuchten Tag Revue
passierend, an und freuten uns zu wissen, von wem wir die
nächste Überweisung zu erwarten hatten. Sie lächelte ein
wenig verschämt, sah aber nicht weg, sondern fing an,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher