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Streng vertraulich

Streng vertraulich

Titel: Streng vertraulich
Autoren: Dennis Lehane
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ein
bißchen Dire Straits auflegen sollte. Oder besser die Stones.
Nein. Jane’s Addiction vielleicht. Springsteen? Besser
irgendwas ganz anderes. Ladysmith-Black-Mambazo oder The
Chieftains. Ich zog sie alle in Betracht. Ich überlegte, was am
besten zu meiner Laune passen würde. Ich überlegte, den
Ghettoblaster zu nehmen und quer durchs Zimmer auf die
Stelle zu schmeißen, wo sich Phil mit Angies Hand in seiner
umgedreht und mich angegrinst hatte.
Tat ich aber nicht. Es ging vorbei.
Wie alles. Früher oder später.

5_____
    Ein paar Minuten später verließ ich die Kirche. Mich hielt nichts mehr zu Hause. Ich ging durch den leeren Schulhof und kickte eine Dose vor mir her. Dann schlüpfte ich durch die Öffnung in dem niedrigen schmiedeeisernen Zaun, der den Schulhof umgibt, und überquerte die Straße zu meinem Apartment. Ich wohne genau gegenüber der Kirche in einem blau-weißen, dreistöckigen Wohnhaus, das der Verschandelung durch Seitenwandungen aus Aluminium, wie es alle seine Nachbarn über sich ergehen lassen mußten, irgendwie entgangen ist. Mein Vermieter ist ein alter ungarischer Bauer, dessen Nachnamen ich selbst nach einem Jahr Übung nicht aussprechen konnte. Er tut den ganzen Tag nichts anderes, als im Hof herumzufuhrwerken, und hat in den fünf Jahren, seit ich hier wohne, insgesamt vielleicht zweihundertfünfzig Wörter zu mir gesagt. Es handelt sich immer um die gleichen vier Wörter: »Wo ist meine Miete?« Er ist ein geiziger alter Knilch, und er ist unfreundlich.
    Ich öffnete die Tür zu meiner Wohnung im ersten Stock und warf die auf mich wartenden Rechnungen zu ihren sich auf dem Couchtisch stapelnden Verwandten. Es campierten keine Frauen vor meiner Wohnungstür oder Haustür, doch auf meinem Anrufbeantworter waren sieben Nachrichten.
    Drei waren von Gina mit dem Schaumbad. Bei jeder ihrer Nachrichten hörte man im Hintergrund das Ächzen und Stöhnen aus dem Fitneßstudio, in dem sie arbeitete. Nichts setzt die Räder der Leidenschaft so in Bewegung wie ein bißchen Sommerschweiß.
    Ein Anruf war von meiner Schwester Erin, Ferngespräch aus Seattle. »Du hast doch keinen Ärger, Junge, oder?« Typisch meine Schwester. Selbst wenn meine Zähne in einem Glas übernachten und mein Gesicht aussieht wie eine Dörrpflaume, wird sie mich immer noch »Junge« nennen. Eine weitere Nachricht war von Bubba Rogowski, der mich auf ein Bier und ein Spielchen Poolbillard einlud. Bubba klang betrunken, was bedeutete, daß es heute abend jemanden dreckig gehen würde. Ich lehnte die Einladung selbstverständlich ab. Eine Frau, ich glaube, es war Lauren, hatte mir häßliche Versprechungen hinterlassen, die eine rostige Schere und meine Genitalien betrafen. Ich versuchte gerade, mich an unser letztes Treffen zu erinnern, um etwas an meinem Benehmen zu finden, das solch extreme Maßnahmen rechtfertigte, als Mulkerns Stimme durch das Zimmer dröhnte und ich Lauren vollkommen vergaß.
    »Pat, Junge, hier ist Sterling Mulkern. Ich schätze, du verdienst dir gerade dein Geld, das ist klasse, aber ich wollte wissen, ob du heute dazu gekommen bist, die Trib zu lesen? Dieser liebe Junge, dieser Colgan, hat sich wieder auf mich gestürzt. Mann, dieser Typ würde sogar behaupten, dein Vater hätte die Feuer selbst gelegt, um sie hinterher löschen zu können. Ein schlimmes Bürschchen, dieser Richie Colgan. Ich wollte fragen, Pat, ob du nicht einmal mit ihm reden könntest, ob du ihn bitten könntest, mich mal einen Moment lang in Ruhe zu lassen, hm ? Nur so eine Idee. Wir haben für Samstag um eins einen Tisch im Copley reserviert. Denk dran!« Die Aufnahme endete mit dem Telefonsignal, dann spulte sich die Kassette zurück.
    Ich starrte die kleine Maschine an. Er fragte mich, ob ich nicht mal mit Richie Colgan reden könnte. Nur so eine Idee. Erinnert mich obendrein noch an meinen Vater. Den Feuerwehrhelden. Den geliebten Stadtrat. Mein Vater.
    Jeder weiß, daß Richie Colgan und ich Freunde sind. Aus diesem Grund sind die Leute mir gegenüber heute zum Teil argwöhnischer als früher. Wir lernten uns kennen, als wir uns auf dem Campus der Universität von Massachusetts rumtrieben und im Hauptfach Computerspiele mit Nebenfach Kneipenkunde belegt hatten. Inzwischen ist Richie der beste Redakteur der Trib und ein fieser Kerl, wenn er jemand verdächtigt, zu den drei großen Übeln zu gehören: zu den Hochnäsigen, den Bigotten oder den Heuchlern. Da Sterling Mulkern alle drei Eigenschaften gleichzeitig
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