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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher
Autoren: Stanislaw Lem
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Astrophysiker zerbrechen sich seit Jahren den Kopf über die Ursachen, die den beträchtlichen Unterschied der kosmischen Staubmengen in den verschiedenen Milchstraßen hervorrufen. Ich denke mir, daß die Sache ganz einfach zu erklären ist – je höher die Zivilisation in der Milchstraße, desto mehr Schmutz gibt es dort, desto mehr Staub, desto mehr Unrat.
      Das Ganze ist nicht so sehr ein Problem für die Astrophysiker als vielmehr für die Feger. Wie man sieht, wußte man sich auch in anderen Nebelflecken nicht zu helfen, aber das ist fürwahr ein geringer Anlaß zur Genugtuung. Ein verwerfliches Spiel ist auch das Spucken in den Weltraum; wie jede Flüssigkeit gefriert nämlich bei niedriger Temperatur auch der Speichel, und ein Zusammenstoß mit solchen Eisbröckchen kann leicht zu einer Katastrophe führen. Es ist peinlich, davon zu reden, aber die Personen, die gewöhnlich während der Reise erkranken, scheinen den Kosmos für eine Art Spucknapf zu halten, als wüßten sie nicht, daß die Spuren ihres Gebrechens dann Millionen Jahre in Umlaufbahnen kreisen und bei den Touristen unangenehme Assoziationen und verständlichen Unwillen erwecken.
      Ein besonderes Problem ist der Alkoholismus.
      Hinter dem Sirius begann ich die im Vakuum angebrachten riesigen Aufschriften zu zählen, die den »Marsjanischen Bitteren«, den »Milchstraßenverschnitt«, den »Extra Mondbrandy« oder den »Edelsputnik« anpriesen – ich ließ das Lesen bald sein, denn ich verlor den Überblick. Wie ich von Piloten hörte, waren einige Kosmosdrome gezwungen, vom Alkoholbrennstoff auf Stickstoffsäure überzugehen, denn es kam vor, daß im Bedarfsfall nichts vorhanden war, womit man starten konnte. Der Patrouillendienst beteuert immer wieder, daß es im Weltraum sehr schwer sei, einen Betrunkenen von weitem zu erkennen: Alle führen ihre schwankenden Schritte und Bewegungen auf den Mangel an Gravitation zurück. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß die Praktiken einiger Bedienungsstationen einfach zum Himmel schreien. Ich selbst hatte einmal Gelegenheit, um das Nachfüllen der Reserveflaschen mit Sauerstoff zu bitten, worauf ich, nachdem ich mich um ein Parsek entfernt hatte, ein merkwürdiges Glucksen vernahm und mich davon überzeugte, daß man mir reinen Kognak eingegossen hatte! Der Leiter der Station behauptete steif und fest, ich hätte geblinzelt, als ich mit ihm gesprochen hatte. Vielleicht hatte ich dies wirklich getan, denn ich leide an einer Augenlidentzündung, aber kann das einen solchen Sachverhalt rechtfertigen?
      Unerträglich ist auch das Durcheinander, das auf den Hauptflugstrecken herrscht. Die gewaltige Zahl der Unfälle ist nicht verwunderlich, wenn so viele Leute systematisch gegen die Vorschriften verstoßen, die die Geschwindigkeit begrenzen. Vor allem tun das die Frauen, denn durch höheres Reisetempo verlangsamen sie den Zeitablauf und altern nicht so schnell. Oft begegnet man Wegelagerern, zum Beispiel den alten Kosmobussen, die die ganze Ekliptik mit Wolken von Auspuffgasen verunreinigen.
      Als ich auf Polyndronien das Beschwerdebuch verlangte, wurde mir erklärt, ein Meteor habe es am Vortage zerschmettert. Schlecht steht es auch um die Belieferung mit Sauerstoff. Sechs Lichtjahre vor Belurien kann man ihn nirgends mehr bekommen, und im Endeffekt müssen die Menschen, die dort als Touristen hingekommen sind, sich in Kühlschränke legen und im Zustand des umkehrbaren Todes warten, bis der nächste Lufttransport ankommt, denn lebend hätten sie nichts zu atmen. Als ich dort eintraf, gab es auf dem Kosmodrom nicht eine Menschenseele, alle hibernisierten in Kühlaggregaten, aber im Büfett erblickte ich eine vollständige Sammlung von Getränken – von Ananas in Kognak bis zu Pilsener Bier.
      Die sanitären Bedingungen, vor allem auf den Planeten, die zum Großen Reservat gehören, schreien zum Himmel. In der »Stimme Mersituriens« las ich einen Artikel, in dem das Abschlachten jener großartigen Tiere gefordert wird, wie es die schluckenden Lauerer sind. Diese Raubtiere besitzen auf der Oberlippe eine Reihe leuchtender Warzen, die verschiedene Muster bilden. In der Tat erscheint in den letzten Jahren immer häufiger eine Variante, bei der die Warzen zwei Nullen bilden. Diese Lauerer wählen gewöhnlich die Nähe von Campinglagern, wo sie nachts im Dunkeln mit breit aufgerissenen Rachen auf Personen warten, die im Begriff sind, ein stilles Örtchen aufzusuchen. Begreift der
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