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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher
Autoren: Stanislaw Lem
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zu erraten, was ich von ihnen verlangte, das heißt eine Reaktionsweise zu entwickeln, die Nutzen brachte und sie somit von den schädlichen Reizen unabhängig machte. Denn Sie werden doch zugeben, daß das schon etwas ist«, versetzte es, während er sich mir mit unerwarteter Heftigkeit zuwandte, »wenn ein geleeartiger Brei mit elektrischen Impulsen eine Glei chung zu lösen vermag, die ihr mittels anderer elektrischer Impulse geschickt wird…?«
      »Gewiß«, erwiderte ich, »aber was das Denken anbelangt…«
      »Vielleicht ist das auch kein Denken«, entgegnete er. »Es geht hier nicht um Bezeichnungen, sondern um Tatsachen. Nach einer gewissen Zeit begannen der eine als auch der andere eine wachsende – wie soll ich das definieren? – eine wachsende Gleichgültigkeit für die von mir angewandten Reize zu zeigen. Es sei denn, daß sie ihre Existenz bedrohten. Und dennoch registrierten meine bewachenden Apparate in dieser Zeit ihre äußerst rege Tätigkeit. Sie äußerte sich in der Form deutlicher Serien von Entladungen, die ich registrierte…«
      Er entnahm der Schublade eines kleinen Tisches einen Streifen fotografischen Papiers mit einer unregelmäßigen Sinuslinie.
      »Die Serien solcher ›elektrischen Angriffe‹ erfolgten in beiden Fungoiden scheinbar ohne jede äußere Ursache. Ich begann die Sache immer systematischer zu untersuchen, bis ich eine seltsame Erscheinung entdeckte: Dieser« – er deutete mit der Hand auf die Tür – »erzeugte elektromagnetische Wellen, und der andere empfing sie. Als ich das entdeckte, bemerkte ich sogleich, daß ihre Tätigkeit abwechselnd erfolgte: der eine ›schwieg‹, während der andere ›sendete‹.«
      »Was Sie nicht sagen…«
      »Es ist die Wahrheit. Ich habe beide Räume sofort abgeschirmt, haben Sie die Bleche an den Türen bemerkt? Die Wände sind ebenfalls damit bedeckt und mit Lack überzogen. Damit habe ich die Radioverbindung unmöglich gemacht. Die Aktivität beider Fungoide verstärkte sich, nach einigen Stunden war sie fast auf Null gesunken, aber am Tage darauf war sie schon genauso wie vorher. Wissen Sie, was geschehen war? Sie waren auf Ultraschallschwingungen übergegangen – sie übermittelten damit Signale durch Mauern und Decken…«
      »Ach, und deshalb dieser Kork!« Ich hatte plötzlich begriffen.
      »Eben. Ich konnte sie natürlich einfach vernichten, aber was hätte ich davon gehabt? Ich stellte beide Behälter auf eine lautschluckende Isolierung. Auf diese Weise unterbrach ich zum zweitenmal ihre Verbindung. Da begannen sie zu wachsen, bis sie die jetzigen Ausmaße erreichten. Das heißt, sie hatten sich fast um das Vierfache vergrößert.«
      »Weshalb?«
      »Ich habe keine Ahnung.«
      Diagoras stand an dem kupfernen Zylinder. Er sah mich nicht an. Während er sprach, legte er alle Augenblicke seine Hand auf den gewölbten Deckel, als untersuche er seine Temperatur.
      »Die elektrische Aktivität kehrte nach einigen Tagen zur Norm zurück, ganz so, als wäre es ihnen wieder gelungen, Verbindung aufzunehmen. Ich eliminierte die Wärme und die radioaktive Strahlung, benutzte alle möglichen Vorhänge, Schirme, Schlucker, verwandte ferromagnetische Registriergeräte – alles ohne Erfolg. Ich trug den einen hier sogar für eine Woche in den Keller, dann in einen Schuppen, etwa vierzig Meter vom Haus entfernt, aber ihre Aktivität in dieser ganzen Zeit änderte sich nicht im geringsten, diese ›Fragen‹ und ›Antworten‹, die ich registrierte und immer noch registriere«, er deutete auf den Oszillographen unter dem verhängten Fenster, »gingen pausenlos weiter, in ganzen Serien, Tag und Nacht. Und so ist es noch immer. Sie arbeiten unaufhörlich. Ich versuchte sozusagen in den Bereich dieser Signalisierung einzudringen, mich in ihren Verlauf einzuschalten, durch von mir gefälschte ›Depeschen‹…«
      »Haben Sie gefälscht? Also wissen Sie, was sie bedeuten?«
      »Niemals! Aber Sie können zum Beispiel auf ein Tonband das aufnehmen, was ein Mensch in einer Ihnen fremden Sprache sagt, und das einem anderen, der sich ebenfalls dieser Sprache bedienen kann, vorspielen. Ich habe, sage ich, dergleichen getan – vergebens. Sie schicken sich stets die gleichen Impulse, diese verfluchten Signale, aber wie, über welchen materiellen Kanal, das ist mir schleierhaft.«
      »Vielleicht ist das trotz allem eine unabhängige, spontane Tätigkeit«, bemerkte ich. »Bitte verzeihen Sie, aber
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