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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher
Autoren: Stanislaw Lem
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wirklich aus seinem düsteren Haus hinausgeworfen hat, ob er dies tat, weil er es wollte, oder vielleicht…
      Aber ich weiß nichts. Ich kann mich irren. Vielleicht waren wir beide, er und ich, damals einer Täuschung zum Opfer gefallen, vielleicht hatten wir uns gegenseitig etwas suggeriert, solche Dinge kommen ja vor.
      Wenn es aber so war, wie soll man sich dann die Entdeckung erklären, die fast einen Monat nach meinem Ausflug nach Kreta ganz zufällig gemacht wurde, als man im Zusammenhang mit einer Entstörung elektrischer Kabel vergebens bei Dr. Diagoras klopfte und beim Eindringen die Behausung verlassen vorfand? Alle Apparate waren zerstört, außer zwei großen kupfernen Bottichen, die zwar unangetastet, jedoch völlig leer waren.
      Ich allein weiß, was sie enthalten hatten, und gerade deshalb wage ich keine Vermutungen im Zusammenhang mit ihrem Inhalt und dem Verschwinden seines Schöpfers anzustellen, den seitdem niemand mehr gesehen hat.

    RETTEN WIR DEN KOSMOS
    (OFFENER BRIEF IJON TICHYS)

    Nach längerem Aufenthalt auf der Erde machte ich mich auf, die beliebtesten Orte meiner früheren Expeditionen zu besuchen – die kugelförmigen Haufen des Perseus, die Konstellation des Kalbes und die große Sternenwolke am Kern der Milchstraße. Überall fand ich Veränderungen vor, von denen es mir schwerfällt zu schreiben, weil das keine Veränderungen zum Besseren sind. Man spricht jetzt viel von der Verbreitung der kosmischen Touristik. Zweifellos ist die Touristik eine ausgezeichnete Sache, aber alles muß seine Grenzen haben.
      Die Unordnung fängt gleich hinter der Schwelle an. Der zwischen dem Mars und der Erde kreisende Asteroidengürtel ist in einem beklagenswerten Zustand. Die monumentalen Felsenbrüche, einst in ewige Nacht getaucht, werden mit Elektrizität erhellt, und obendrein ist jeder Abhang mit emsig eingeritzten Initialen und Monogrammen übersät.
      Der besonders bei flirtenden Pärchen beliebte Eros zittert förmlich von den Schlägen, mit denen hausbackene Kalligraphen ihre Erinnerungsinschriften in seine Rinde hämmern. Clevere Schlauköpfe verleihen zu diesem Zweck an Ort und Stelle Hämmer, Meißel und sogar pneumatische Bohrer, so daß man heute nicht einmal in der wildesten Einöde jungfräuliche Felsen findet.
      Überall sieht man aufdringliche Inschriften wie: »Ich liebe Dich mehr als mein Leben, laß uns auf diesem Meteoriten danach streben«, »Das sind eines Asteoriden Reste, darunter unserer Liebe Feste« und ähnliche Ergüsse, verziert mit pfeildurchbohrten Herzen – all das in schlechtestem Geschmack. Auf der Ceres, an der – ich weiß nicht aus welchem Grunde – vielköpfige Familien besonderen Gefallen gefunden haben, grassiert eine wahre Foto-Plage. Dort streunen viele Fotografen herum, die nicht nur Skaphander zum Posieren ausleihen, sondern auch die Bergwände mit einer besonderen Emulsion bestreichen und für ein geringes Entgelt darauf ganze Ausflüglerscharen verewigen; die auf diese Weise hergestellten Bilder überziehen sie der Festigkeit halber mit Glasur. Die entsprechend posierten Familien – Vater, Mutter, Großeltern, Kinder – lächeln von den Felsenhängen herab, was, wie ich in einem Prospekt las, eine »gemütliche Familienatmosphäre« erzeugen soll. Was die Juno betrifft, so gibt es diesen einst so schönen kleinen Planeten fast gar nicht mehr, jeder, dem es gefällt, spaltet von ihm Felsen ab und wirft sie ins Vakuum. Man hat weder die Eisennickelmeteoriten geschont, die für Erinnerungsringe und Klammern draufgingen, noch die Kometen. Selten erscheint jetzt einer mit ganzem Schweif.
      Ich dachte, ich würde vor dem Gedränge der Kosmosbusse und vor diesen Familienbildern auf Felsen mitsamt den graphomanischen Versen fliehen können, wenn ich aus dem Sonnensystem hinausgelangte, aber weit gefehlt!
      Professor Bruckee vom Observatorium klagte jüngst über den schwächer werdenden Schein beider Gestirne des Zentaurus. Wie soll er auch nicht schwächer werden, da doch die ganze Gegend mit Müll angefüllt ist! Um den schweren Planeten des Sirius, der Attraktion dieses Systems, hat sich ein Ring gebildet, der an die Ringe des Saturns erinnert, nur ist er aus Bier- und Brauseflaschen entstanden. Der Kosmonaut, der diese Tour fliegt, muß heute nicht nur Meteorenwolken ausweichen, sondern auch Konservenbüchsen, Eierschalen und alten Zeitungen. Es gibt dort Stellen, wo man nicht einmal mehr die Sterne sehen kann. Die
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