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Galileis Freundin (German Edition)

Galileis Freundin (German Edition)

Titel: Galileis Freundin (German Edition)
Autoren: Gunter Tschauder
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Geburt
     
    Nebelschwaden hielten die Burg Picchena am 19. Januar 1608 verborgen. Und doch hatte Landgraf Curzio Picchena den Tag erregt erwartet. An diesem Tag sollte sein Kind geboren werden. Vorausschauend hatte der Staatssekretär der Medici seine junge Frau Alessandra schon vor Wochen von Fl o renz auf das Land gebracht, auf seine Burg, südlich von San Gimignano, zwischen Volterra und Colle di Val d’Elsa. Mit besorgter Miene hatte er von einem Tag auf den anderen die Nachricht empfangen, da ss er auf die Hilfe seines vertrauten Freundes und Medikus bei der Entbi ndung seiner Frau verzichten müss te. Eine plötzlich aufgetretene und verheerende Seuche hielt den Freund in der Metropole zurück. Brenzoni hatte ihm den jungen Medikus aus Castel San G i mignano em p fohlen.
    "Nicolo ist allemal besser als die Q uacksalbereien der Hebammen, lass t euer Weib nicht von denen vergiften."
    Dazu hatte der Pfarrer von San Michele a Casale, Domenico di Giovanni, dem Burgherrn vor ein paar Wochen eine Amme ans Herz gelegt.
    „Nehmt die Nanini als Amme für euer Kind“, gab er den Rat. "Sie ist schru l lig“, schilderte er das merkwürdige Weib, „aber guten Herzens und kindlich fromm. Ihr ve r storbener Mann nannte sich Nanini. Auch sie wird heute so von jedermann genannt. E ine gute Seele, Herr Landgraf. Vor einer Weile verstarb ihr Mann an einer Seuche. Jetzt ist sie mittellos, sie erwartet ein Kind. Es dürfte wenige Wochen vor der Niederkunft eurer Gemahlin zur Welt kommen. Nehmt euch ihrer an, so braucht ihr euer Kind nicht einer Bäuerin zum Säugen zu geben, un d die Nanini ist mit ihrem Kind versorgt."
    So erhielt die Nanini von da an Beherbergung und Essen in der Burg. Vor drei Wochen war ihr eigenes Kind zur Welt gekommen, und wenige Zeit später war es wieder verstorben. Die Brüste der verwaisten Mutter riefen nach einem Säugling, der sie saugte.
    Niemand kannte zuvor das Leben der Amme , niemand hatte sie gefragt, woher sie wirklich kam. Sie war einfach da. Der Pfarrer hatte sie empfohlen. Das sollte genug sein. So fand das fromme Weib seinen Platz in der Burg Picchena. Eine dunkle Gestalt mit stets gleic h bleibender Kleidung und abweisendem Gesicht. Unscheinbar, aber bedrohlich wirkte sie auf jeden. Sie hielt Zwiesprache mit den Geistern einer anderen Welt, die ihre eigene jedoch berührten. Stetiges Murmeln erschreckte manch eintretenden Besucher, der die Burg Picchena beehrte.
    Hatte sie jemals gelächelt? Ihr Blick entsprang dunklen, eng aneinander liegenden A u gen, die in ihren Höhlen weit zurückfielen. Die hakige Nase stieß aus dem kleinen, flachen Gesicht wie ein Widerhaken hervor, während ihr dürrer Hals sich zu wehren schien, den kleinen Vogelkopf aufrecht zu tragen.
    "Dun kel ziehen Nebel durch das Land. Unglück ist des Tages Sinn, Qual und Leid sind seine Gebieter. Niemand hat dich h erbestellt, du verworfenes Ding . Freiheit willst du haben. Unglückselige, Gefangenschaft wirst du ernten und Tod", murmelte die Amme, als der Medikus das Vorzimmer der Landgräfin betrat.
    "Was schwatzt du da, dummes Weib", fuhr der Medikus die Nanini an, als er die düsteren Verse vernahm. "Es ist ein Tag der Freude für die Burg. Mach dich an die Arbeit, bereite heißes Wasser, gleich eine Wanne voll, wir werden mehr Arbeit bekommen, als uns lieb ist."
    Mit finsterem Blick zog die Amme von dannen. In der Cucina brodelte kochendes Wasser in einem eisernen Kessel, der an einer Zahnstange über dem Kaminfeuer hing. Mit beschwörend erhobenen Händen begegnete Nanini dem Diener Marco.
    "Ich habe das alte Weib in Castel San Gimignano befragt, ihre Prophezeiungen sind dunkel und drohend für den heutigen Tag. Sie hat ein Unheil angekündigt. D es Nachts in der Lichtung beim Mondschein hat sie die wissenden Geister gesehen über den flackernden Flammen ihres offenen Feuers. Die dunkle Ahnung drückt mein Herz. Den schlimmen Weg hat sie erkannt, den Curzio Picchenas Kind zu gehen hat.
    Ein grausamer Fluch liegt über dem verruchten Kind .
    Ich soll es nähren mit der vollen Brust, soll ihm den Lebenssaft und Liebe geben. Den Teufel werde ich nähren, die Hexe werd’ ich säugen."
    Marco war mit seinen siebzehn Lenzen als Mitgift in die Burg gezogen. Ein frischer, junger Bursche, der sich um Pferde und den Hof zu kümmern hatte.
    "Sei still, Nanini", schimpfte er. "Das alte Weib ist gar die Hexe. Der Teufel wird sie h o len."
    "Die Berta kennt die Zukunft, spricht mit Geistern, hört die Toten. Mit der
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