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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher
Autoren: Stanislaw Lem
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Aber warum ahmen die von ihnen erzeugten Fata Morganen nicht Schulen, Büchereien oder Weiterbildungsklubs nach? Warum zeigen sie immer nur Stellen, an denen alkoholische Getränke ausgeschenkt werden? Zweifellos – die Mutationen sind richtungslos – haben sie schon alle möglichen Dinge vorgespielt, aber diejenigen, die den Passanten Klubs, Bibliotheken oder Selbstbildungszirkel demonstrierten, kamen um vor Hunger – am Leben blieb nur die Bar-Variante thermomendax spiri tuosus haludnogenes aus der Familie der Anthropophagen). Die wunderbare Erscheinung dieser vollkommenen Anpassung, die den Wärmern das rhythmische Ausstoßen von Warmluft ermöglicht, in der die Spiegelung entsteht, stellt eine deutliche Anklage unserer Mängel dar. Die Selektion der Bar-Variante hat allein der Mensch hervorgerufen – durch seine bedauernswerte Natur. Ein Brief an die Redaktion des »Stredogentischen Echo« hat mich empört. Ein Leser dieser Zeitung verlangte sowohl die Ausrottung der Wärmer als auch der reizvollen Anklatsche, dieser herrlichen Bäume, die die größte Zierde eines jeden Parks bilden. Wenn man ihre Rinde anschneidet, spritzt daraus ein giftiger, blendender Saft hervor. Der Anklatsch ist der einzige stredogentische Baum, der nicht von oben bis unten mit Aufschriften und Monogrammen bekritzelt ist, und ausgerechnet auf ihn sollen wir verzichten? Ein ähnliches Schicksal steht so wertvollen Exemplaren der Fauna bevor wie dem weglosen Rächer, dem glucksenden Ertränker, dem Lauerbeißer oder dem elektrischen Heuler. Um sich und seine Nachkommenschaft vor dem nervenzerrüttenden Lärm zu retten, den die ungezählten Radiogeräte der Touristen in die Waldesstille hineingetragen haben, hat der Letztgenannte dank der Selektion eine Abart herausgebildet, die besonders lärmende Sendungen, vor allem die Jazzmusik, übertönt! Die elektrischen Organe des Heulers strahlen Wellen in Form von Superheteredin aus. Diese außergewöhnliche Schöpfung der Natur sollte also recht bald unter Schutz gestellt werden.
      Was die ekelhafte Stinke betrifft, so muß ich gestehen, daß der Geruch, den sie ausstößt, nicht seinesgleichen hat. Dr. Hopkins von der Universität Milwaukee hat errechnet, daß besonders energische Exemplare bis zu fünftausend Riecheinheiten pro Sekunde zu erzeugen vermögen. Aber selbst ein kleines Kind weiß schon, daß sich die Stinke nur so aufführt, wenn man sie fotografiert.

      Der Anblick eines zielenden Fotoapparats löst einen Reflex aus, der als der Linsen-Schwanzreflex bezeichnet wird, mit dem die Natur dieses unschuldige Tierchen vor der Neugier der Zuschauer schützen will. Es stimmt zwar, daß die Stinke, die ein wenig kurzsichtig ist, auch Gegenstände wie Tabakdosen, Feuerzeuge, Uhren, ja zuweilen selbst Orden und Medaillen für Fotoapparate hält, aber das nur deshalb, weil einige Touristen Mini-Geräte benutzen, und da kann man sich eben leicht irren. Was nun die Beobachtung angeht, daß die Stinke in den letzten Jahren ihren Bereich vervielfacht habe und bis zu acht Megariecheinheiten pro Hektar produziere, so ist diese Tatsache durch die massenhafte Verwendung von Teleobjektiven zu erklären.

      Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als hielte ich sämtliche Tiere und Pflanzen im Kosmos für unantastbar. Gewiß, die schnellkauende Fressalie, der schlaksige Zerquetscher, der genießende Vielfraß, die Gesäßöffnerin, die dunkelnde Leichenbeißerin oder der Allesfresser verdienen keine besondere Sympathie, ebenso wie all das Unkraut aus der Familie der Autarkischen, zu denen Gauleiterium flagellans, Syphonophiles Pruritualis, das heißt der scheinheilige Bäumer sowie der schreihälsige Hetzer, und die koswürgende Wächterin (lingula stranguloides Erdmenglerbeyeri) gehören. Aber wenn man sich die Sache gut überlegt und sich um Objektivität bemüht, warum soll dann eigentlich der Mensch Blumen pflücken und sie im Herbarium trocknen können, während die Pflanze, die Ohren abreißt und sie einweicht, gleich als etwas Naturwidriges gilt? Wenn der mäulige Echer (echolalium impudicum Schwamps) sich auf Aedonoxien über die Maßen vermehrt hat, dann tragen auch daran wir Menschen die Schuld. Der Echer schöpft nämlich seine Lebensenergie aus Klängen – früher diente ihm dazu der Donner, deshalb lauscht er auch heute noch gern dem Gewittergrollen, aber in letzter Zeit hat er sich auf Touristen umgestellt, von denen ein jeder es für seine Pflicht hält, ihn mit einem
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